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Glaube in die Gegenwart kommen lassen: Predigt

Tuba Işık, Felix Körner
Judentum, Christentum und Islam wollen ihre Glaubensbotschaft immer neu zur Sprache bringen. Traditionelle Formen der Predigt unterliegen hohen Anforderungen. Gemeinsame Ziele sind: die Gläubigen zum Leben aus dem Glauben zu ermutigen, sie der Gegenwart Gottes zu versichern und dies häufig durch die Auslegung von Schriftstellen. Felder des gemeinsamen oder wechselseitigen Predigens sind im Entstehen.
Veröffentlicht im Oktober 2024
Aktualisiert im Oktober 2024
Zitierlink: https://handbuch-cid.de/glaube-in-die-gegenwart-kommen-lassen-predigt/

1. Predigt allgemein

Predigen heißt: die Glaubensbotschaft ins Heute kommen lassen. Um jedoch die Rolle und Form der Predigt besser zu verstehen, betrachten wir zunächst, wie muslimische und christliche Verkündigungstätigkeit zusammenhängen – und zwar sowohl historisch als auch systematisch. Anschließend sind für die beiden Traditionen je eigene theologische Linien zu ziehen.

2. Entstehungszusammenhang und Grundbegriffe

Warum wird in unseren Religionen überhaupt gepredigt? Diese theologisch höchst ergiebige Frage findet ihre Antwort im Blick auf Entstehung und Grundanliegen unserer Religionen. Hierfür ist es hilfreich, neben Islam und Christentum auch das Judentum zu stellen. Denn alle drei entstehen in der Spätantike. Spätantike – das ist weniger eine bestimmte Zeit, als ein Denkraum (epistemic space). Typisch für ihn sind die drei Dynamiken Resonanz, Relecture und Rhetorik. Resonanz: Fremde kulturelle und kultische Vollzüge bringen sich zu Gehör und fordern Menschen und Gemeinschaften auf, sich damit auseinanderzusetzen – Debatten ergeben sich. Relecture: Alte Texte und Überlieferungen beseitigt man nicht, sondern man entwickelt Verfahren, sie neu zu verstehen – Hermeneutiken entstehen. Rhetorik: Die überzeugende sprachliche Ausdrucksform wird bestimmend zur religiösen Vermittlung – das „Wort“ wird eine religiöse Zentralfigur.

Welche Rolle spielt nun die Predigt in unseren Religionen? Warum wurden sie, bei aller Verwandtschaft, in unterschiedlicher Weise predigende Wortreligionen? Judentum, Christentum und Islam gründen in der Dynamik der „Bekehrung“: in der Abkehr von einem gottfernen Leben, in der Rückkehr zu Gott und zu seiner Menschengemeinschaft. Dieser Anspruch ist durch verbale Kommunikation geltend zu machen. Der jeweilige Kern der Religion lässt sich aber auch je spezifisch herausarbeiten – immer im Blick auf die Rolle, die das gemeinsam gehörte und neu ausgelegte Wort dabei spielt. Nehmen wir das Grundanliegen dreimal thesenförmig in den Blick.          

Grundanliegen des Judentums ist es, an die Zugehörigkeit zum Volk Israel zu erinnern, das aus der ägyptischen Knechtschaft von Gott befreit wurde und am Berg Sinai den Gesetzesbund mit ihm eingegangen ist (Ex 24,3). Die erzählte Erinnerung setzt diese Sinai-Erfahrung gegenwärtig. Das Volk darf laut biblischer Schilderung nun ins „Gelobte (d.h. versprochene) Land“ einziehen und errichtet in Jerusalem einen Tempel. Doch beides, Land und Tempel, verliert das Volk zweimal: im 6. Jahrhundert v. Chr. (Babylonisches Exil) und erneut im 2. Jahrhundert n. Chr. (Diaspora). Nach dem Verlust des Landes und des Jerusalemer Zentralheiligtums (Tempelzerstörung) braucht das Volk einen anderen kontinuitätsstiftenden Mittelpunkt, ein „portatives Vaterland“ (Heinrich Heine), und findet ihn in der Text-Gelehrsamkeit (talmûd). Die Überlieferung erfordert in jeder Generation eine Vergewisserung der jüdischen Identität durch Studium und verlebendigende Erklärung.

Grundanliegen des Christentums ist es, die Menschen jene Osterfreude „erfahren“ zu lassen, derentwegen sie das neue Leben „in Christus“ beginnen dürfen (1Thess 1,1). „Erfahren“ heißt hier sowohl „hören“ als auch „empfinden“. Die Freude drängt zum Weitersagen. Da ihr Grund in der Bezeugung der Auferstehung Christi liegt, also geschichtlich einmalig und von Anfang an umstrittenen ist, muss sie den Gläubigen immer neu zugesagt werden. Gemeindegründend – also Ursprung der Kirche – ist die „Feier des Auferstandenen“, das „Mysterium“, dass man nicht nur seiner gedenkt, sondern erlebt, wie Christus sich selbst den Seinen vergegenwärtigt. Da ein Mysterium aber in Zeichenhandlungen zur Sprache kommt, braucht es stets neu einführende Lehre (Katechese, Mystagogie); und da sich nach christlichem Verständnis die Schriften Israels und die Worte Jesu anders erfüllen, als sie zunächst verstanden worden waren, muss ihr Gegenwartssinn benannt werden.

Grundanliegen des Islam ist es, den klärenden Gottes-Ruf der Rechtleitung zum verantwortlichen Leben vernehmbar zu machen (bayān, daʿwa, hudā). Zu vermitteln ist dafür kein Geschehens-, sondern ein Verkündigungsereignis, das von Anfang an auf aktualisierende Deutung, Fortschreibung sowie liturgische Wiederholbarkeit ausgerichtet war: Qurʾān – die Rezitation des Gotteswortes. Die (Freitags-)Predigt gestaltet sich formal nach dem Muster des Aufrufs, der durch den Koran selbst erklingt. Weil Ziel jeder Verkündigung die Bekehrung der Gläubigen zum Leben nach Gottes Rechtswillen ist, ruft auch die Predigt die Menschen zum entsprechenden Handeln im Heute auf.

3. Predigen – christlich

3.1 Theologisch

Das Grund-Wort der christlichen Predigt ist – in der Sprache des Neuen Testaments – paraklēsis. Es bedeutet zugleich „Trost“ und „Weisung“. Damit sind die beiden Dynamiken benannt, die das christliche Predigen ausmachen. Den Menschen muss die Frohe Botschaft zugesagt werden. Sie werden so geradezu in das kommende Gottesreich hineingestellt, von der angebrochenen Heilszeit ergriffen: vom Freudengrund des Osterzeugnisses, dass der am Kreuz gestorbene Jesus tatsächlich Herr der Welt ist. Denn er ist „wahrhaft auferstanden“ (Lk 24,34). In den Gläubigen wird so die Vorfreude auf die Vollendung der Schöpfung lebendig: die Aussicht, dass am Ende alles „zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes“ verwandelt sein wird (Röm 8,21). Dies hat aber auch Folgen für die Lebensgestaltung der Menschen heute; und hier liegt der Übergang vom Trost zur Weisung. Denn die so Getrösteten können aus dem Gottesdienst getrost in die Welt zurückkehren. Sie sind nun berufen und befähigt, selbst ein Leben zu führen, das dem angebrochenen Gottesreich entspricht und das dessen verwandelnde Kraft in den irdischen Lebensverhältnissen wirksam werden lässt – die Welt durchprägend wie der „Sauerteig“ (Lk 13,21). Dazu soll das Predigtwort die Angesprochenen bewegen.

Als Grundlage christlicher Predigttheologie können die ältesten neutestamentlichen Texte dienen: Paulus von Tarsus schreibt Briefe an Gemeinden, die ihn bereits als Prediger erlebt haben (einzige Ausnahme: der Römerbrief). Paulus erinnert seine Hörer:innen schriftlich an sein physisches Auftreten bei ihnen. In diesem Zusammenhang kann er ihnen dafür danken, dass sie seine Predigt nicht nur als Menschenwort gehört haben: Sie ist ja, schreibt er ihnen, in Wirklichkeit Gottes Wort (1Thess 2,13). Deswegen aber verlangt er nicht etwa, seine mündliche Rede müsse nun heilige Schrift werden. Dass die Gemeinde sein Predigtwort als Gotteswort aufgenommen hat, bedeutet vielmehr, dass es gewirkt hat: Menschen haben sich davon sozusagen in die Sphäre der Erlösung versetzen lassen. Sie sind nun „in Christus“. Denn Ziel des Gotteswortes ist, dass sich die Menschen davon ergreifen lassen, von der „Guten Nachricht“ (griechisch: euangelion). Sie besteht darin, dass Christus von den Toten auferstanden und jetzt so lebendig ist, dass er allen Menschen sein Leben als den neuen Lebensraum anbietet, in dem sie freudig ihre Befreiung aus der Angst um sich selbst erleben und leben können.Entsprechend sind auch frühchristlich-griechische Bezeichnungen für das Predigen euangelizomai: „frohbotschaften“, kērygma: „Botschaft, Verkündigung“ oder schlicht ho logos: „Das Wort“; denn Christus, Gottes alles entscheidendes Wort, kommt in der Predigt zur Geltung.

3.2 Historisch

Die Geschichte der christlichen Predigt durch die Jahrhunderte lässt sich als Weg mit vier Wendepunkten nachzeichnen: spätantike Rhetorik, lateineuropäische Ordensprägungen, konfessionelle Kontraste und gegenwärtige Reformen. Grundsätzlich wollte sich die frühe Kirche im Predigtstil von ihrer spätantiken Umwelt absetzen: Wie das Neue Testament eine besonders schlichte Sprache verwendet – wirken soll das Christuszeugnis, nicht die sprachliche Geschliffenheit –, so erklärte man auch, man wolle ohne rhetorische Eleganz auskommen. Tatsächlich aber kennt die syrische, griechische und lateinische Tradition von früh an auch formal geschliffene Predigten in eindrucksvoller Rhetorik. Die Kirchen des Ostens (die so genannten Altorientalen sowie die Orthodoxie) führen diese Tradition weiter, indem sie die ansprechenden Predigtworte der frühen Theologen (der Kirchenväter) heute als Teil ihrer Predigten vorlesen.

In Lateineuropa entstehen – immer in Reaktion auf empfundene Missstände – neue „Orden“: das Evangelium aktualisierende Gemeinschaftsformen, gerade solche, die ein Armutsideal verwirklichen wollen. Im Grunde sind die neuen Gruppierungen allesamt auch Predigerorden. Sie können – mitunter im Unterschied zum Pfarrer vor Ort – als bewegende, ja bekehrende Prediger gelten, als Akteure der inneren Mission. Im Prozess der Konfessionalisierung betont die evangelische Seite das Ereignis des Predigthörens als erneute Begegnung mit Gottes Wort, während die katholische Seite die Erfahrbarkeit der Glaubenswahrheit mit allen Sinnen herausstellt, vor allem aber das äußere und innere Schauen. So tritt die Bedeutung des gehörten Gotteswortes und der gekonnten Predigt in der Bildung der Gläubigen und der Ausbildung der Geistlichen katholischerseits jahrhundertelang in den Hintergrund.

3.3 Konfessionskundlich

Wer darf predigen? In diesem Punkt unterscheiden sich die verschiedenen christlichen Traditionen. In den orthodoxen Kirchen und den Kirchen des Ostens predigen ausschließlich Kleriker, also geweihte Amtsträger. Das katholische Kirchenrecht gestattet eine Predigt – die „Homilie“ nach der Verkündigung des Evangeliums während der Eucharistiefeier – ebenfalls nur Klerikern (Diakonen, Priestern, Bischöfen, vgl. Codex Iuris Canonici, canon 767 §1) und damit nur Männern; andererseits: Eine Einführung in die Feier (statio) darf jede christliche Person geben, und die meisten deutschsprachigen Bischöfe lassen Nicht-Geweihte predigen, vor allem theologisch geschulte Hauptamtliche, Frauen wie Männer. Sie halten in diesem geographischen Raum auch regelmäßig Ansprachen bei anderen gottesdienstlichen Anlässen, die sie selbst leiten dürfen, wie Trauungen und Beerdigungen. Alle evangelischen Landeskirchen des deutschen Sprachraums gewähren Zugang zum Pfarr- und damit zum Predigtamt Männern und Frauen gleichermaßen und kennen die Laienpredigt, etwa von eigens dazu ausgebildeten und beauftragten „Prädikant:innen“.

Wie wird gepredigt? Bei den deutschsprachigen evangelischen Landeskirchen spielt die Predigt nach wie vor eine, oft sogar die zentrale Rolle im Gottesdienst. Das schlägt sich auch im Zeitaufwand nieder, den das Predigen bei der Ausbildung des Nachwuchses, in der Arbeitszeiteinteilung der Pfarrer:innen und im Ablauf des Sonntagsgottesdienstes einnimmt. Dabei unterscheiden die amtlich für jeden Gottesdienstanlass vorgegebenen Bibelstellen – die Leseordnungen – seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts häufig zwischen dem verkündeten Sonntagsevangelium und dem Predigttext, der Grundlage der Ansprache zu sein hat. Die Geistlichen tragen dafür typischerweise von der Kanzel aus einen schriftlich ausgearbeiteten, theologisch durchdachten, biblisch bezogenen, sprachlich anspruchsvollen, aber gleichzeitig existenziell ansprechenden und oft mehr als 15-minütigen Text vor. Vielerorts aber ist man auch experimentierfreudig, bereitet Dialopredigten zwischen mehreren Geistlichen oder mit Gemeindegliedern vor und nutzt bewusst überraschende Effekte.

Die Erneuerung der römisch-katholischen Kirche auf dem II. Vatikanischen Konzil (1963–1965) gründete in fünf (vor allem in Deutschland, Frankreich und Belgien lebendigen) Bewegungen der ersten Jahrhunderthälfte: der Neuentdeckung der Heiligen Schrift (Bibelbewegung), dem wiedererwachten Interesse an der Theologie der Kirchenväter (patristische Bewegung), dem kritischen volks- und naturverbundenen Aufbruch einer neuen Generation (Jugendbewegung), dem Wunsch, Gottesdienstformen vom Klerikalismus der Frühneuzeit zu befreien und eine schlichtere Praxis der Alten Kirche zu aktualisieren (liturgische Bewegung) sowie der Einsicht, dass der Andere kein Feind, sondern berechtigter und bereichernder Dialogpartner ist (ökumenische Bewegung). So bricht sich auch eine zum Gottesdienst wesentlich dazugehörige, biblisch grundierte neue Predigtlehre und -praxis die Bahn: die „Homilie“. Es handelt sich um eine vom Ambo (dem „Tisch des Wortes“, Lesepult) aus vorgetragene, knapp zehnminütige, mehr oder weniger frei gehaltene Ansprache. Sie geht von den unmittelbar zuvor verlesenen Bibeltexten aus. Für die Sonntagsmessen regelt ein Dreijahresrhythmus die Schrift- und damit die Predigttexte (Matthäus-, Markus- und Lukasjahr).

In Freikirchen muss die Person, die predigt, weder theologisch ausgebildet noch amtlich beauftragt sein. Die Ansprache ist häufig lang, aber kurzweilig und im mehrfachen Sinne persönlich: Man wählt Schriftstellen und Thematik frei aus, bringt eigene Erfahrungen zur Sprache und zielt darauf, dass Begeisterung auf die Versammelten überspringt.

3.4 Kontextuell

Wer heute christlich predigt, muss sich dem ganzen Kreis derzeitiger Herausforderungen stellen und kann sich damit in fünf Grundspannungen sehen. Zwar muss die Predigt derartige Spannungen nicht aussprechen – geschweige denn lösen; aber weil die Verkündigung die Glaubensbotschaft ins Heute kommen lassen will, muss sie mit bedenken, aus welchen und zu welchen Lebensbedingungen sie spricht. Erstens besteht die politische Spannung darin, dass weder Sprecher:in noch Hörer:innen vorhandene Unterdrückungsverhältnisse ausblenden dürfen. Dabei weist nicht nur die außerkirchliche Welt Ungleichheiten auf. Spannung herrschen auch innergemeindlich; und das Predigen selbst ist grundsätzlich ebenfalls ein asymmetrischer Akt. Es gibt für gewöhnlich nur einen, der spricht; alle anderen müssen zuhören. Asymmetrien sind nicht notwendig unterdrückerisch. Jedoch empfinden beispielsweise katholische Gläubige vieler Kulturen es inzwischen als ungerecht oder gar unchristlich, dass laut Kirchenrecht grundsätzlich nur Männer predigen dürfen. Damit gilt vielerorts die Predigt im Gottesdienst inzwischen zugleich als dessen wichtigstes Element und als die größte Zumutung. Während die außer- und innergemeindlichen Spannungen also im Blick sein sollten, ist das Grundanliegen der christlichen Predigt doch nicht die Kritik an Machtverhältnissen, sondern die Zusage des kommenden Gottesreiches. Menschen haben auch das Recht, während des Gottesdienstes bedrängende Lebensverhältnisse vergessen zu dürfen. Nur gehört zur Dynamik des Gottesreiches auch die Verwandlung irdischer Strukturen im Geist des Evangeliums.

Zweitens ist eine mediale Spannung im Blick zu behalten. Das Predigen ist ein öffentlicher Akt; und es muss eine persönliche Note haben, denn es ist Zeugnis, das glaubwürdig abzulegen ist. Daher verlangt das Predigen einerseits professionelle Kommunikationskompetenz; die sprechende Person soll aber andererseits auch als sie selbst erkennbar bleiben. Folglich muss sie sich nicht einfachhin einem bestimmten formalen Erwartungshorizont und inhaltlichen Anspruch unterwerfen. Sie muss ihren eigenen Weg finden zwischen einem zu erwartenden Aufmerksamkeitsschwund und dem Zumutungscharakter, der dem Evangelium nun einmal eignet.

Was drittens die wissenschaftliche Reflektiertheit des Predigtinhaltes betrifft, so lassen sich die beiden Spannungspole, zwischen denen sich die predigende Person immer neu zurechtfinden muss, wie folgt umschreiben: einerseits Vermittlungsmut, Übertragungsfreude, Kulturnähe, Allgemeinverständlichkeit und Beheimatung der Zuhörer:innen im Vertrauten; andererseits aber Bildungsinteresse, exegetische und theologische Redlichkeit, Lehrtreue und evangeliumsgemäße Anstößigkeit.

Diese Spannung wird sich viertens auch sprachlich auswirken. Nochmals ist daher auf Spannungspole hinzuweisen, die der predigenden Person vor Augen bleiben müssen, ohne dass sie sie einfachhin auflösen könnte: zwischen literarischer Zitierfreude und authentischer Individualität; zwischen überraschend fremd und gewinnend nachvollziehbar; zwischen Alternativkultur und Alltagsnähe; extrem gesagt, zwischen Alterität und Anbiederung.

Die Predigt ist schließlich fünftens Teil eines liturgischen Gesamtgeschehens. Auch christliche Traditionen, die die Zentralität des gehörten Wortes herausstellen, wissen um die Ausdruckskraft des Nonverbalen. Die predigende Person muss daher ihre Eigenformulierungen als Teil des Mysteriums verstehen: des Mysteriums des Gottesdienstes (Sakrament) und des Mysteriums Kirche (lebendige Tradition in Gemeinschaft, Kultur, Sprachformel, Gebet, Gesang und Feier). So kann sich die Predigt bewusst ein- oder sogar unterordnen. Sie darf sich als Hinführung zum Wandlungsvorgang des Gottesreiches verstehen. Dabei weist sie nicht selten auf die Symbole des Christentums hin. Sie muss dabei allerdings auch die Gefahr sehen, die Sprache der Sinnbilder durch Worterklärungen platt zu vereindeutigen.

3.5 Praktisch

Am Ende dieses Abschnitts seien drei Leitworte zitiert. Sie stehen, auch wo sie gar nicht wörtlich bekannt sind, für Einstellungen, die die christliche Predigt als solche auszeichnen können.

  • A broken heart in every pew” (Ein gebrochenes Herz in jeder Kirchenbank). Hinweise wie dieser mahnen bei der Predigtausbildung zum Mitgefühl. Demgemäß wird den werdenden Geistlichen mitunter empfohlen, im gewöhnlichen Gemeindegottesdienst nicht gespreizt zu sprechen oder gar zu verletzen. Vielmehr ist, wie der englischsprachige Hinweis rät, stets daran zu denken, dass „in jeder Kirchenbank“ eine Person sitzen kann, die mit großem Kummer zum Gottesdienst gekommen ist und in diesen Augenblicken ein Recht auf eine neue Perspektive hat.
  • Es geht darum, predigend „die Herzen zu mehr Glaube, Hoffnung und Liebe zu bewegen“, wie es u.a. die ersten Mitglieder der Gesellschaft Jesu („Jesuiten“, gegründet 1540) formulierten.
  • „Wer predigt, muss das Herz seiner Gemeinde kennen, um zu suchen, wo die Sehnsucht nach Gott lebendig und brennend ist und auch wo dieser ursprünglich liebevolle Dialog erstickt worden ist oder keine Frucht bringen konnte“ (Papst Franziskus, Evangelii gaudium 137).

4. Predigen – islamisch

4.1 Begriffe

Predigen, also das gesprochene Wort, das an die Menschen gerichtet ist, hat eine lange Tradition, die bis in die Zeit des Propheten Muhammad zurückreicht. Verschiedene Formen der Vortragskunst ritualisierter und formeller Rede haben sich in Anlehnung an das Beispiel des Propheten entwickelt und sind in den beiden Hauptströmungen des Islams verbreitet (Behzadi 2009, 78). Dabei sind zwei Oberbegriffe zu beachten: ḫiṭāba (Predigt) und kalām (Disputation). Die Kunst der Disputation (ṣināʿat al-kalām) beschreibt hauptsächlich theologisch-systematische Debatten, aber schließt auch andere Formen des Wortbeitrags ein. Sowohl al-kalām als auch al-ḫiṭāba setzen voraus, dass die predigende Person Experte auf ihrem Gebiet ist, denn erst eine fundierte theologische Ausbildung verleiht Autorität und Glaubwürdigkeit, um gehört zu werden.

Das Grundwort für das Predigen hingegen ist ḫiṭāba. Der Prophet Muhammad hielt neben seinen Offenbarungsverkündigungen auch Predigten, um die Botschaft des Korans zu erklären und die Gläubigen dazu zu ermutigen, ein gottgefälliges Leben zu führen. Seine Predigten wurden als inspirierend, lehrreich und erhebend beschrieben und dienten als Leitfaden für das Verhalten der Muslime. Daher wurden und werden religiöse Predigten oft aufgezeichnet und das Überliefern als wertvoll angesehen. Im Koran kommt der Begriff „Predigt“ zwar nicht vor, in den Hadithen (prophetischen Aussagen) aber wird er erwähnt.

4.2 Anfänge

Der Prophet Muhammad als erster ḫāṭīb, Redner, bildete mit seinen Predigten das Vorbild. Eine der bekanntesten Formen ist die religiöse Predigt (ḫuṭba), die eine öffentliche Rede mit einem spezifisch religiösen Thema vor einem breiten Publikum bezeichnet. Diese ḫuṭba wird hauptsächlich im Anschluss an Freitags- und die Festgebete gehalten. Eine ḫuṭba ist zumeist kontextuell, d.h. die Predigt soll vorrangig die Gläubigen dazu ermutigen, ihre spirituelle Praxis zu vertiefen, moralische Werte zu pflegen und sich aktiv für das Gemeinwohl einzusetzen. Deswegen soll eine Predigt (ḫuṭba) die Schwierigkeiten und Herausforderungen, mit denen die Gläubigen in ihrer unmittelbaren Umgebung konfrontiert sind, ansprechen und thematisieren. Dies kann sowohl zwischenmenschliche Konflikte als auch Probleme der Wohnumgebung wie beispielsweise Straßenverschmutzung umfassen. Ebenso sollten theologische Erinnerungen über die Berechnung der Pflichtabgabe sowie deren Verwendungszwecke und Empfänger angesprochen werden. Wohlgemerkt ist die Kunst des Vortrags keine Neuerfindung des Islam, sondern wurde bereits im vorislamischen Arabertum praktiziert, wodurch dem Vortrag sowohl sprachlich als auch inhaltlich eine erhebliche Bedeutung beigemessen wird.

4.3 Qualitätssicherung

Über die Charakterisierung eines guten Predigers wurde bereits recht früh – in der sogenannten adab-Literatur – geschrieben. ʿAmr ibn Baḥr al-Ǧāḥiẓ (777–869) gehörte zu den bedeutendsten Prosaschriftstellern seiner Zeit und zu den wichtigsten Repräsentanten der adab-Literatur. Er selbst war auch ein Theologe und ein Universalgelehrter. In seinem umfangreichen Werk Kitāb al-bayān wa-l-tabyīn (Das Buch der Klarheit und Erklärung) führt er die Konzepte von bayān (klare, korrekte Sprache) und balāġa (Rhetorik) ein und behandelt deren Zusammenhang mit Sprachfehlern wie Stammeln, Stottern, Lispeln sowie phonetischen Varianten in der Aussprache des Arabischen bei Einzelnen oder ganzen Sprachgemeinschaften (z. B. den Bewohnern von Sind in Pakistan, die „z“ statt „g“ aussprechen). Ebenso thematisiert er sprachliches Fehlverhalten wie Nuscheln oder die Schwierigkeit, die passenden Worte zu finden (Grotzfeld/Enderwitz 2020).

Außerdem legt er Charaktereigenschaften und Kriterien für einen guten Redner fest, die heute teils verwunderlich bis anstößig wirken, teilweise aber weiterhin Gültigkeit besitzen. Er betont die Bedeutung von Gestik (Hand- und Kopfbewegungen) zur Verstärkung des Gesagten sowie einer lauten und klaren Stimme. Schweißausbrüche sollten vermieden werden, da sie einem selbstbewussten Auftritt im Wege stehen. Das äußere Erscheinungsbild mag zwar relativ unwichtig sein, dennoch spricht er über die Vorteile eines großgewachsenen Menschen mit harmonischen Gesichtszügen. Fehlende Zähne könnten die Artikulation beeinträchtigen und Irritationen bei den Zuhörern hervorrufen, was vom Inhalt der Rede ablenken könnte; dennoch habe es brillante Redner ohne Zähne gegeben. Die Aussagekraft der Rede hängt auch davon ab, ob sie in der Hochsprache der jeweiligen Sprache vorgetragen wird und weder zu lang noch zu kurz ist. Die Wortwahl sollte sorgfältig, aber nicht überladen sein. Es geht nicht darum, ein Fachpublikum zu beeindrucken, sondern mit der Kunst des Redens eine breite Zuhörerschaft zu fesseln.

4.4 Zulassung

Islamrechtlich ist keine formale Predigtkontrolle vorgesehen. Entscheidend sollten Ausbildung und theologisches Wissen der predigenden Person sein. Die meisten Formen von „Predigt“ stehen allen Gläubigen offen, sofern sie über entsprechende Kenntnis verfügen. Bereits in der frühen islamischen Tradition – sowohl im sunnitischen als auch im schiitischen Kontext – haben gut ausgebildete weibliche Gelehrte gepredigt und unterrichtet. Eine Ausnahme stellt die ḫuṭba dar, die Predigt im Freitagmittagsgebet. Sie soll von einem dafür bestellten Prediger gehalten werden. Frauen waren und sind dort seltener aktiv. Darüber hinaus stellen verschiedene Moscheeträger weitere Zulassungsbedingungen auf. So bevorzugt etwa die türkisch-staatliche Religionsbehörde Kandidaten mit theologischem Universitätsabschluss. Die übrigen Formen von „Predigt“ stehen im Grunde allen Gläubigen offen. Es existiert allerdings eine Vielzahl islamisch-juristischer Meinungen darüber, ob und unter welchen Bedingungen Frauen die Rolle einer Predigerin übernehmen können. Selbst innerhalb ein und derselben Rechtsschule (maḏhab) besteht darüber oft keine Einigkeit. In jüngster Zeit haben sich die Plattformen, auf denen sowohl Frauen als auch Männer predigen können, erheblich erweitert.
 

4.5 Formen

Die Freitagspredigt stellt die Hauptform der Predigt dar, vergleichbar mit der Predigt in einem christlichen Sonntagsgottesdienst. Im Laufe der Zeit, insbesondere im kulturellen Kontext und bei speziellen Anlässen wie Hochzeiten oder Beschneidungen, haben sich Formen des Predigens entwickelt, die über die Freitags- und Feiertagspredigt hinausgehen. Eine der bekanntesten Formen ist der waʿẓ. Obwohl waʿẓ auch einfach „Predigen“ bedeutet, beinhaltet der Begriff zusätzlich Aspekte wie, Ratschläge (naṣīḥa) zu geben, zu warnen und zu ermahnen. In religiösen Zusammenhängen soll ein waʿẓ die Herzen einer Gemeinschaft dazu bewegen, moralisch richtig zu handeln, und sie in religiösen Fragen zu ermutigen oder zu warnen – indem sowohl über Belohnungen und Segnungen als auch über Strafen im Diesseits und Jenseits gesprochen wird. Heutzutage werden Kurzvorträge oder religiöse Ansprachen, die darauf abzielen, das spirituelle Wachstum und die Charakterbildung der Gläubigen zu fördern und an einem religiös markierten Ort bzw. Rahmen stattfinden, ebenfalls als waʿẓ bezeichnet. Das kann heute auch im Internet, etwa auf einer Video-Plattform der Fall sein. Hier finden sich ungefiltert sowohl hetzende Verflachungen der islamischen Hingabe-Botschaft als auch rhetorisch und inhaltlich anspruchsvolle und ansprechende Predigten.

4.6 Inhalt

Schwerpunkte religiöser Rede sind die Nähe zur Lebenswirklichkeit der Zuhörenden, ihre Verbindung zu Gott, die Glaubensgrundlagen, das Dies- und Jenseits, zwischenmenschliche Beziehungen, religiöse Pflichten, Gebote und Verbote. Oft aber enthält die Ansprache auch Narratives. Vor allem in der iranischen und seldschukischen Literatur entstand daraus eine Untergattung der pädagogischen Wertevermittlungsliteratur (adab), nämlich das naṣīḥatnāme (Buch der Ratschläge): eine Art Fürstenspiegel mit moralischen Ermahnungen (vgl. Pala 2008). Gleichnishafte Anekdoten untermalen die Ratschläge. Einige Berichte aus den ersten islamischen Jahrhunderten erwähnen im arabischen Kulturraum die quṣṣās: professionelle Erzähler. Da die Quellen von ihnen allerdings höchstens am Rande berichten, galten sie offenbar als kaum erwähnenswert (vgl. Merkel 2021, 164). Ihre Erzählungen enthielten anfangs zum Teil religiöse Aussagen aus dem Koran und der Sīra (Prophetenbiographie), andere bezogen sich unmittelbar auf das Zwischenmenschliche; aber auch Heldengeschichten und Fiktion gelangten zunehmend ins Repertoire der quṣṣās. Sie verarbeiteten erbauliche Geschichten aus der mündlichen Überlieferung über den Propheten Muḥammad und seine Gefährt:innen. Sicherlich auch, um die Gunst der Zuhörenden zu gewinnen und zu behalten, erfanden die Erzähler immer unglaublichere Taten und Ansichten des Propheten und gerieten daher in Konflikt mit den Gelehrten. Diese bemängelten, dass die Erzählungen sich nicht auf historisch belegte Ereignisse bezogen. Im Laufe des 9. Jahrhunderts wurden die quṣṣās denn auch aus den Moscheen vertrieben. Bedeutung und Charisma behielten die Prediger und Gelehrten. Sie entwickelten einen spezifischen Sprachstil und Habitus: Im Mittelpunkt stand nun die inhaltliche Richtigkeit.

5. Ausblick

Predigt als religiöse Ansprache geschieht nicht nur im Gottesdienst. So lässt sich etwa auch ein geistlicher Impuls per Radio in die Privaträume der Hörer:innen übertragen. In den öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland stehen den Religionen, wenn sie Körperschaften öffentlichen Rechts sind, sogar eigene Sendezeiten zu. Hier ist es ausdrücklich zulässig, Verkündigungsinhalte zu senden. Üblicherweise wechseln sich bei den einschlägigen Formaten evangelische, katholische und zum Teil freikirchliche Sprecher:innen im Wochenrhythmus ab (vgl. das Wort zum Sonntag). 2022 füllten erstmals einzelne Musliminnen im Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) dieses Format. Dabei wurde auf den Körperschaftsstatus als Voraussetzung verzichtet; so auch beim „Islamischen Wort“ im Südwestrundfunk (SWR) 2007, gegen das sich allerdings gerade von muslimischer Seite kritische Stimmen erhoben: Es habe einseitige Perspektiven oder politisch umstrittene Persönlichkeiten zu Wort gebracht. Gute Resonanz fand die Sendung „Koran erklärt“ im Deutschlandfunk (2018), die wissenschaftliche Stimmen und Positionen in ihrer Unterschiedlichkeit Raum gab.

Im Gottesdienst und allgemeiner im religiösen Raum finden sich ebenfalls Innovationen. Wie christliche Gemeinden ihre Pfarrer:innen über Konfessionsgrenzen hinweg austauschen (z.B. „Kanzeltausch am Pfingstmontag“), so werden inzwischen Imame gelegentlich zu Dialogpredigten in Kirchen eingeladen. An Schulen finden multireligiöse Gottesdienste statt, etwa zum Schuljahresbeginn oder Schulabschluss. In solchen Gottesdiensten können christliche und muslimische Vertreter:innen gemeinsam oder nacheinander Ansprachen halten. Entsprechendes gilt für private wie öffentliche Anlässe: für Hochzeiten und Beerdigungen wie für gesamtgesellschaftliche erfreuliche oder beklagenswerte Ereignisse. Ebenso kommen in den als Blogeintrag bis 2022 regelmäßig veröffentlichten Freitagspredigten der Alhambra-Gesellschaft auch christliche Gastprediger:innen zur Wort. In einer multireligiösen Gesellschaft ist zu wünschen, dass sich weitere Formate gemeinsamer Predigttätigkeit herausbilden.

Zitierte Literatur

Behzadi, Lale, Sprache und Verstehen. al-Ǧāḥiẓ über die Vollkommenheit des Ausdrucks, Wiesbaden 2009

Grotzfeld, Sophia / Enderwitz, Susanne, Ǧāḥiẓ, ʿAmr ibn Baḥr al-: Kitāb al-bayān wa-t-tabyīn. In: Arnold, Heinz Ludwig (Hg.), Kindlers Literatur Lexikon (KLL), 2020, 1–2

Merkel, Johannes, Sieh, damit wir sehen! Eine Geschichte des Geschichtenerzählens, Berlin 2021

Pala, İskender, Nasihatnâme, in: TDV İslâm Ansiklopedisi, Bd. 32, Istanbul 2008, 409–410

Zum Weiterlesen

Akca, Ayşe Almıla / Feise-Nasr, Mona / Stenske, Leonie / Süer, Aydın (Hg.), Practices of Islamic Preaching. Text, Performativity, and Materiality of Islamic Religious Speech, Berlin 2024

Conrad, Ruth / Weeber, Martin (Hg.), Protestantische Predigtlehre. Eine Darstellung in Quellen, Tübingen 2022

Conrad, Ruth, Homiletik (Kompendien Praktische Theologie), Stuttgart 2024

Müller, Klaus, Homiletik. Ein Handbuch für kritische Zeiten, Regensburg 1994

Authors

  • Prof. Dr., Berlin, geb. 1981, muslimisch; Professorin für islamische Religionspädagogik und Praktische Theologie, Berliner Institut für Islamische Theologie, Humboldt-Universität zu Berlin

  • Prof. Dr. Dr., Berlin, geb. 1963, katholisch, Nikolaus-Cusanus Professor für Theologie der Religionen, Zentralinstitut für Katholische Theologie, Humboldt-Universität zu Berlin

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Gerecht und barmherzig? Glauben an Gott angesichts des Leids

Menschen erfahren leid durch Krankheit, Krieg, Naturkatastrophen, Tod. Christentum und Islam sind mit ihrem Glauben an den einen allmächtigen, barmherzigen und gerechten Gott und ihrer Ethik angesichts der universalen Leiderfahrung besonders herausgefordert. Der Beitrag geht der Frage nach, wie Bibel und Koran, christliche und islamische Theologie mit Theodizeefrage umgehen, welche Antwortversuche sie geben.

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Stellvertreter Gottes: Würde und Aufgabe des Menschen

Die Frage nach dem Verständnis des Menschen ist grundlegend für das Verhältnis und das Zusammenleben von Christen und Muslimen. Gibt es eine gemeinsame Basis, von der aus die Würde des Menschen begründet und verteidigt werden kann? Können Christen und Muslime gemeinsame Aussagen über die Aufgabe und Bestimmung des Menschen machen? In drei Schritten werden in diesem Beitrag die Aspekte Geschöpflichkeit und Würde, Freiheit und Verantwortung, Sünde und Glaube des Menschen jeweils aus christlicher und muslimischer Sicht beleuchtet.

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Urbild des Glaubens: Abraham als gemeinsamer Stammvater

Abraham ist im interreligiösen Dialog zu einer die drei monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam verbindenden Programmfigur aufgestiegen. Dies gilt sowohl für wissenschaftliche wie für praxisbezogene Arbeit. Mit großer Selbstverständlichkeit ist deshalb inzwischen von den drei abrahamitischen bzw. abrahamischen Religionen bzw. der abrahamischen Ökumene die Rede. Viele Dialoginitiativen nutzen „Abraham“ als Teil ihres Namens, um anzuzeigen, dass den Religionen etwas Gemeinsames und Verbindendes zugrunde liegt. In den letzten Jahren traten jedoch die Bedeutung der Unterschiede und der Umgang damit stärker in den Vordergrund. Welche Rolle Abraham im gegenwärtigen interreligiösen Dialog tatsächlich spielen kann oder auch spielen sollte, hängt an der Rezeption der biblischen Erzählungen in den Theologien und Religionen, was insgesamt zumindest zur Differenzierung herausfordert.

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Gottes Wort in der Geschichte: Bibel und Koran

Dass Gott zu den Menschen gesprochen und ihnen sein Wort anvertraut hat, glauben Jüdinnen und Juden, Christ:innen und Muslim:innen gemeinsam. Zugleich sind sie darin aber auch erheb-lich geschieden. In der Bibel – für Jüdinnen und Juden „Tora, Propheten und Schriften“, für Christ:innen die Einheit aus Altem und Neuem Testament – und im Koran haben sie ihr je eige-nes Fundament und den unaufgebbaren Ausdruck ihrer Identität. Somit hat die Frage, wie Jü-dinnen und Juden, Christ:innen und Muslim:innen sich wechselseitig verstehen und zueinander verhalten können, angesichts dieser Bücher besonderes Gewicht. Für den christlich-islamischen Dialog ist dies ein zentrales Thema. Zugleich aber betrifft es auch das je eigene Selbstverständ-nis: In der Wahrnehmung der anderen Religion wird man sich der eigenen neu bewusst.

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Leben in Freiheit und Würde: Menschenrechte

Menschenrechte sind in der deutschen Verfassung wie auch in internationalen Konventionen kodifiziert. Religionen sind Nutznießer der dort garantierten Religionsfreiheit und stehen in der Verpflichtung, diese Rechte auch ihrerseits zu unterstützen und zu gewähren. Im Christentum wie im Islam sind Menschenrechte vor allem in der Würde des Menschen begründet. Das Verhältnis von göttlichen Rechtssetzungen und menschlichem Recht führt in einige Sachfragen zu unterschiedlichen Akzenten oder Vorbehalten. In der praktischen Umsetzung von Menschenrechten gibt es weiterhin Defizite, so vor allem in der Gewährung von Freiheiten und Gleichheiten und im Umgang mit Andersdenkenden und religiösen Minderheiten.

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Jesus: Prophet oder Sohn Gottes?

Jesus wird im Christentum als Sohn Gottes bezeichnet, und in der islamischen Tradition ist er ein Auserwählter und Gesandte Gottes. Die unterschiedliche Perspektive auf Jesus von Nazareth führte oft zu einer apologetischen Haltung und pauschalen gegenseitigen Kritik und Ablehnung. In diesem Artikel werden die christliche und muslimische Perspektive differenziert dargelegt. Trotz Eigenmerkmale in der jeweiligen Religion gibt es Erzählungen im Koran über Jesus, die auch in der Bibel zu finden sind. Der Kern der Botschaft Jesu, der Glaube an einen einzigen Schöpfer, ist eine verbindliche gemeinsame Überzeugung, die in diesem Artikel hervorgehoben wird.

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Worauf hoffen wir? Heil in Diesseits und Jenseits

Die Drohung mit dem Höllenfeuer und die Hoffnung auf das Paradies sind Motive, die in vielen religiösen Überzeugungen zu finden sind. Die Lehre von den letzten Dingen wird im Christentum und Islam zwar unterschiedlich dargelegt, hat aber auch Übereinstimmungen in den biblischen und koranischen Vorstellungen. Die historischen Wurzeln des Jenseitsglaubens liegen außerhalb der beiden Religionen und gehen auf ältere Zeugnisse der alten Religionen zurück. In diesem Artikel wird die Endgerichts- Theologie der Auferstehung und des Jüngsten Gerichts aus den Quellen und theologischen Diskursen im Christentum und Islam vorgestellt.

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Den Glauben bezeugen: Zum Verhältnis von Dialog und Mission

Im Christentum und Islam soll der Mensch den Glauben bezeugen und mit Worten und Taten den anderen zum Glauben einladen. Während im Christentum Mission als Bezeugen, Mitteilen, Überzeugen und Menschen für den Glauben gewinnen, gesprochen wird, wird im Islam von Einladung zum Glauben gesprochen. In diesem Artikel wird der Begriff Mission aus den christlichen und islamischen Perspektiven erläutert und in Beziehung zum Dialog gesetzt.

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Partnerschaft, Ehe und Familie

Der vorliegende Artikel gibt einen Überblick über das Phänomen Partnerschaft, Ehe und Familie im Hinblick ihrer Gestaltungsformen sowie aus der islamischen als auch christlichen Perspektive. Beide abrahamitischen Religionen tragen maßgeblich zur Stabilisierung und Versittlichung dieser bei. Nicht zuletzt sind im christlich-islamischen Austausch Unterschiede und Gemeinsamkeiten ebenso zu beachten wie auch Unterschiede innerhalb der christlichen Konfessionen. Relevant werden diese Unterschiede und Gemeinsamkeiten insbesondere bei der Anwendung der deutschen Rechtsprechung und Verwaltungspraxis des Ehe- und Familienrechts auf andere Länder, wenn eingewanderte Migrant:innen in ihrem Herkunftsland geheiratet haben und ihr Familien- und Erbrecht mit nach Deutschland bringen.

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Muhammad: Vorbild für Muslime – Anfrage an die Christen

Einer der Glaubensgrundsätze des Islams fordert den Glauben an den von Gott berufenen Gesandten und Propheten Muhammad. Als Empfänger und Verkünder der göttlichen Offenbarung, stellt er eine Erstinterpretation der göttlichen Botschaft dar, um diesen eine Gestaltungsform zu geben. Dieser zeichnet sich durch Frömmigkeit, Aufrichtigkeit und seiner Barmherzigkeit aus, der durch seine Lebensführung den Muslim:innen als Rechtleitung gilt.
Der vorliegende Artikel soll aufzeigen, wie die Integration des Propheten Muhammad in die biblische Tradition unter Betrachtung der Eigenschaften und der Lebensweise des Propheten erfolgen kann, da die Anerkennung und Verehrung des Propheten Muhammad seitens der Muslim:innen nicht auf die gleiche Anerkennung seitens der Christ:innen stößt, die bisher nicht dazu bereits waren, ihm die gleiche Wertschätzung entgegenzubringen.

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Ursprung und Ziel: Gott als Schöpfer und Richter

Die Menschen haben sich unaufhörlich über den Sinn des Lebens Gedanken gemacht und Fragen gestellt. Sie haben sich bemüht, zwischen Ursprung und Ziel den Zweck des Daseins zu verstehen. Zu diesen Fragen haben Christentum und Islam sich mehrfach und facettenreich positioniert. In beiden Religionen steht der Mensch durch Gottes Gnade und Zuwendung in einer Beziehung und Vertrautheit mit Gott, die er in Freiheit individuell entfalten oder ignorieren kann. Der Glaube an Gott führt zur Einsicht, dass der Mensch für diese Welt und sein eigenes Leben Verantwortung trägt, der er durch den Glauben und darauf basierender Handlungsweise gerecht werden kann. Einige Aspekte dieser großen Fragen der Menschheit werden in diesem Beitrag thematisiert.

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