Der christlich-islamische Dialog in Deutschland hat sich heute in verschiedene Themenfelder, Initiativen und auch Orte ausdifferenziert. Der ursprüngliche Ort der Begegnung und damit die Basis ist und bleibt jedoch die Ebene der Kirchen- und Moscheegemeinden. Meistens in einem Stadtteil oder einem lokalen Raum leben christliche und muslimische Gläubige zusammen, pflegen ihre jeweilige Spiritualität sowie ihre Aktivitäten in Moscheen, Kirchen und Gemeindehäusern bzw. -zentren. Man begegnet sich im Alltag beim Einkaufen, in der Schule und im Kindergarten usw. Eventuell entstehen durch die Nachbarschaft untereinander Kontakte, welche die Neugier auf die Religion des bzw. der Anderen mit sich bringen. Die Nachbarschaft kann aber auch zu Konflikten führen, die häufig durch Bauvorhaben von Moscheevereinen und die dadurch verbundene öffentliche und sichtbare symbolische Präsenz im sozialen Raum oder durch lautsprecherverstärkte Ezanrufe zum Gebet ausgelöst werden.
In den letzten fünfzig Jahren haben sich zahlreiche christlich-islamische Dialoginitiativen vor Ort gebildet. In ihnen wird beispielhaft gelebt, was in muslimischen und christlichen Dokumenten zum interreligiösen Dialog formuliert wird: Die Begegnung von Christ:innen und Muslim:innen fördert das gegenseitige Verständnis, den Abbau von Vorurteilen, das solidarische Miteinander sowie das friedliche Zusammenleben in der jeweiligen Gesellschaft (vgl. z. B. Sekretariat der deutschen Bischofskonferenz, 2003). Im Folgenden sollen Erfahrungen und Projekte aus der Arbeit dieser Dialoginitiativen modellhaft erschlossen werden, um Anstöße zu geben, sich selbst auf den interreligiösen Weg zu begeben.
Beziehungsaufbau
Der erste und wichtigste Schritt im christlich-islamischen Dialog ist der Aufbau von Beziehungen, die von gegenseitigem Vertrauen geprägt sind. Jeder Dialog zwischen Menschen beruht auf einem konstruktiven Beziehungsaufbau. Von daher sind zwei Punkte von großer Bedeutung:
(1) Interreligiöse Dialoge und im Speziellen christlich-islamische Dialoge werden von Menschen und nicht von Religionen oder Gemeinden geführt. Die Dialogpartnerinnen und -partner gehören zwar einer bestimmten Religion, einer bestimmten Konfession oder einem bestimmten muslimischen Dachverband an, was aber nicht in jedem Fall etwas über ihre Dialogwilligkeit aussagt. Nicht immer folgen einzelne Dialogpartner der Linie, die der Dachverband oder die Kirchenleitung vorgibt. Dialogfähigkeit und Dialogwilligkeit sind zuerst einmal innere Haltungen, die Menschen mitbringen. Dialogkompetenzen, wie z. B. der Wissenserwerb über die andere Religion, das Verhalten gegenüber Männern und Frauen und vieles mehr können dann im weiteren Verlauf erworben werden. Von daher ist es wichtig, dass die dialogwilligen Menschen in den jeweiligen christlichen und muslimischen Gemeinden vertrauensvolle Beziehungen zueinander aufbauen. Diese führen dazu, dass sich andere Gemeindemitglieder angesprochen fühlen und sich ebenfalls zusammen auf den Weg machen.
(2) Der Aufbau vertrauensvoller Beziehungen gelingt aber nur dann, wenn Menschen, die einer anderen Religion angehören, nicht sofort unter die Hermeneutik des Verdachts gestellt und damit negativ beurteilt werden, indem man ihnen Fundamentalismus, Fanatismus, Gewaltbereitschaft, Missionierungsabsichten etc. unterstellt. Leider wird in den Medien vielfach ein sehr einseitiges, undifferenziertes und pejoratives Bild des Islam vermittelt. Das ruft Ängste hervor, die in vielen christlichen Gemeinden dazu führen, hinsichtlich eines Dialogs mit der muslimischen Nachbargemeinde erst einmal zurückhaltend zu reagieren. Aber auch auf muslimischer Seite existieren Ängste und Bedenken, z. B. in Bezug auf die Frage, wie öffentlich man seinen Glauben leben kann, ohne auf Ablehnung zu stoßen, wie sichtbar eine Moschee sein darf oder ob es erlaubt ist, eine Kirche zu betreten und dort an einem Gottesdienst oder einem multireligiösen Gebet teilzunehmen.
Dennoch gibt es immer „Brückenmenschen“, die sich einen Dialog vor Ort zwischen den Gemeinden wünschen und ihn initiieren wollen. Ein erster Schritt dazu kann die Kontaktaufnahme mit den Dialogbeauftragten der Kirchen und islamischen Verbände sein. Sie beraten Dialogwillige, geben Informationen, begleiten persönlich die ersten Schritte und bieten Hilfestellungen für einen guten Einstieg in den Dialog mit der benachbarten christlichen Pfarrei bzw. dem benachbarten Moscheeverein. Zum Kennenlernen und Beziehungsaufbau bietet sich eine Moschee- oder Kirchenführung an. Hier können Interessierte erste Kontakte knüpfen und Partnerinnen und Partner persönlich begegnen.
Bewährtes im christlich-islamischen Dialog
Der Dialog vor Ort braucht nicht nur Menschen guten Willens, sondern auch Themen, Orte und Strukturen sowie eine realistische Ressourcen- und Erwartungsabklärung. Gerade Letzteres ist sehr wichtig, damit es keine Enttäuschungen gibt. Beide Partner sollten sich fragen, was zeitlich und inhaltlich möglich ist. Punktuelle Begegnungen zu bestimmten Zeiten im Jahr, wie etwa im Advent oder im Ramadan, sind genauso legitim wie regelmäßige monatliche oder wöchentliche Termine. Zwischen dem, was wünschenswert, und dem, was zu leisten ist, muss oft vermittelt werden. Dabei ist zu beachten, dass in den muslimischen Gemeinden fast ausschließlich Ehrenamtliche den größten Teil der anfallenden Arbeit leisten, neben ihren beruflichen Verpflichtungen. Die beiden Großkirchen haben dagegen immer noch einen starken Stamm an hauptberuflichen Mitarbeiter:innen, die sich qua Amt in den interreligiösen Dialog einbringen können. Von daher sind Erwartungsabklärungen wichtig, was jeweils von muslimischer und christlicher Seite leistbar ist.
Für die Orte des Dialogs gilt die Regel: Gegenseitige Gastfreundschaft stärkt die Beziehungen. Deshalb sollten Treffen immer im Wechsel stattfinden: einmal in den Räumen der Moscheegemeinde, das nächste Mal im kirchlichen Gemeindehaus oder -zentrum. Für Muslime ist die Gastfreundschaft ein sehr hoher Wert. Daher wird der Gast mit großer Aufmerksamkeit bedacht. Dementsprechend sollte auch die Gastfreundschaft von christlicher Seite gepflegt werden. Sie kann sich unter anderem darin zeigen, während eines gemeinsamen Termins keinen Alkohol auszuschenken und Essen anzubieten, das den muslimischen Speisegeboten entspricht.
Soll der christlich-islamische Dialog zwischen christlichen und muslimischen Gemeinden auf Dauer gestellt werden, braucht es Regelmäßigkeiten, die einer strukturellen Verankerung bedürfen, damit sie nicht verloren gehen. Diese können unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkte besitzen.
Begegnungen zu bestimmten Zeiten
Sehr bewährt haben sich Begegnungen zu bestimmten Zeiten. Muslimische Gemeinden laden gerne Gäste zum Fastenbrechen im Monat Ramadan ein. Erfolgt eine Einladung, so sollte die christliche Seite sie auf alle Fälle wahrnehmen und auch ein Grußwort vor oder nach dem gemeinsamen Essen sprechen. Wer selbst keins verfassen möchte, greift auf die offiziellen Grußworte der evangelischen und katholischen Kirche zum Ramadan zurück, die über die kirchlichen Islambeauftragten erhältlich sind. Revanchieren kann man sich z. B. mit einer Einladung zum Martinsgansessen. Ebenfalls besteht die Möglichkeit sich zu den Gemeindefesten gegenseitig einzuladen und eventuell jeweils mit einem Stand vertreten zu sein. An manchen Orten gibt es aber schon gemeinsame christlich-muslimische Gemeindefeste, die in einem bestimmten zeitlichen Abstand durchgeführt werden.
Thematische Treffen
Thematische Treffen fördern das Wissen über und das Verständnis für die andere Religion. Wie oben schon erwähnt, könnte am Anfang eine Moschee- und Kirchenführung stehen. Bestimmte Themenkreise erfreuen sich immer eines großen Interesses, wie z. B. die im Jahr wiederkehrenden Feier- und Festtage, die Namensgebung und die Bedeutung der Namen, die Erziehung im Glauben (Was muss man als Christ:in und Muslim:in lernen?), die Frage nach den Riten und Traditionen im Zusammenhang mit dem Tod oder die Bestattungs- und Friedhofskultur, das Verständnis von Partnerschaft, Ehe und Familie (▸ Partnerschaft, Ehe und Familie), der Wandel der Geschlechterrollen, der Unterschied zwischen Koran und Bibel (▸Gottes Wort in der Geschichte: Bibel und Koran), die jeweiligen Speisegebote, Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Struktur und Organisation des Gemeindelebens sowie der Arbeit vom Imam und Priester bzw. Pfarrer oder Pfarrerin, die Frage danach, wie die Religion meinen Alltag prägt: Gebet und Spiritualität (▸Gemeinsam vor Gott: Gebet und Spiritualität), Ethik und Verhalten (▸Verantwortung für das Leben: Grundlagen der Ethik) und vieles mehr. Hier können Gemeinsamkeiten entdeckt und Unterschiede benannt werden.
Die thematischen Treffen sollten von christlichen und muslimischen Gemeinden organisiert werden, sie brauchen aber die inhaltliche Arbeit nicht selbst zu leisten. Die christlichen Bildungswerke und die muslimischen Verbände können in der Regel Theologinnen und Theologen vermitteln, die in die Gemeinden kommen und in die Themen einführen.
Später kann die thematische Arbeit weiter ausgebaut werden, z. B. durch Führungen auf christlichen und muslimischen Friedhöfen, durch gemeinsame Fahrten zu bedeutenden Kirchen und Moscheen wie dem Kölner Dom oder der Merkez-Moschee in Duisburg und vieles mehr. Gerade solche Unternehmungen tragen in einem erheblichen Maße zu einer Intensivierung der Beziehungen bei.
Die thematischen Treffen können, ähnlich wie ökumenische Bibelwochen, zu bestimmten festen Zeiten im Jahr stattfinden. Die Erfahrung zeigt, dass die Themen nicht ausgehen, sondern sich im Laufe der Zeit eher differenzieren. Ebenfalls wird es leichter, sich auch über kontroverse Themen auszutauschen, wie z. B. über den Wahrheitsanspruch der Religionen, Unterschiede im Gottesbild (▸ Ursprung und Ziel: Gott als Schöpfer und Richter), religiös gemischte Ehen und Familien oder Ausgrenzungserfahrungen.
Multireligiöse Gebete
Viele christlich-islamische Dialoginitiativen planen regelmäßige multireligiöse Gebete zu bestimmten Zeiten (▸Gemeinsam Dank und Bitte vor Gott tragen – Anlässe, Formen und Orte multi- und interreligiöser Feiern). So gibt es an mehreren Orten jeweils anlassbezogene multireligiöse Friedensgebete und Totengedenken. Ebenfalls ist die Zeit um Erntedank oder die Interkulturelle Woche ein beliebter Termin. Aber auch lokale Anlässe bieten Möglichkeiten, wie z. B. das Datum der Grundsteinlegung der Moschee. Da das Pilgern und die Wallfahrt in beiden Religionen eine große Tradition haben, können auch interreligiöse Pilgerwege organisiert werden, die von der Kirche zur Moschee bzw. von der Moschee zur Kirche führen. Unterwegs werden dann an verschiedenen bedeutsamen Orten Stationen gestaltet. Am Endpunkt des Pilgerwegs steht ein gemeinsamer Abschluss, der in ein Fest oder die Möglichkeit zur weiteren Begegnung münden kann. Ebenfalls können in Schulen, wo es sich anbietet, multireligiöse Feiern zum Schuljahresbeginn oder vor den Sommerferien stattfinden; aber auch das Erntedankfest kann dazu eine Gelegenheit sein, weil sowohl im Christentum und als auch im Islam der Schutz der Umwelt und der Dank für Gottes gute Schöpfung und für die daraus entstehenden Lebensmittel einen hohen Stellenwert haben.
Arbeit an gemeinsamen Zielen
Hilfreich für den christlich-islamischen Dialog vor Ort ist ebenfalls die Arbeit an gemeinsamen Zielen, vor allem im diakonischen Bereich. Was brauchen die Menschen in unserem Stadtteil bzw. in unserer Stadt? Welche Hilfen benötigen sie? Welche Schwierigkeiten und Probleme bestehen bei uns? Muslime und Christen können soziale, wirtschaftliche und existenzielle Sorgen und Problemlagen aufgreifen und gemeinsam nach Lösungen suchen. Dies gelingt am besten mit Kooperationspartnern. So können Schulen und Kindergärten, Sozial- und Wohlfahrtsverbände, politische Institutionen, Vereine und Zusammenschlüsse im Ort oder Stadtteil für gemeinsame Projekte gewonnen werden (z. B. Mittagstische für Bedürftige, Tafeln, Kleiderkammern, Spielplatzpartnerschaft, Pflege von öffentlichen Grünanlagen), oder Kirchen- und Moscheegemeinden können sich an bestehenden gemeinwohlorientierten Projekten beteiligen.
Die Einrichtung eines Runden Tisches, an denen die Religionsgemeinschaften mit vielen anderen Kooperationspartnern an den Problemen und Schwierigkeiten des Ortes oder des Stadtteils arbeiten, hat sich sehr bewährt. Weiterhin dienen solche Kooperationen auch dazu, vor allem bei Moscheeneubauten dem muslimischen Partner beratend und unterstützend zur Seite zu stehen und eventuell auftretende Konflikte im Stadtteil konstruktiv zu bearbeiten. In vielen Städten haben sich auch „Räte der Religionen“ gebildet, die seit 2018 auf Bundeskongressen zusammenkommen.
Strukturen und Fortbildungen für den Dialog
Wie bereits erwähnt, beruht der christlich-islamische Dialog (wie der gesamte interreligiöse Dialog) auf inneren Haltungen, die Dialogwilligkeit und -fähigkeit einschließen. Diese Haltungen kann man aber nicht von allen Gemeindemitgliedern erwarten. Von daher sollte man nicht enttäuscht sein, wenn am Anfang sich erst einmal ein paar Menschen guten Willens als „Brückenmenschen“ auf den Weg machen. Ihr Beispiel zieht an und lässt weitere Interessierte folgen. Hilfreich ist es, wenn die Gemeindeleitungen (Pfarrgemeinderat oder Gemeinderat, Presbyterium, Vereinsvorstand, pastorales Personal, Imam) den Dialog vor Ort unterstützen, sei es durch eigenes Engagement oder auch durch Bereitstellung einer Infrastruktur. Ein Sachausschuss „Dialog“ im Pfarrgemeinderat, Presbyterium sowie im muslimischen Verein unterstreicht die Bedeutsamkeit des Themas.
Weiterhin hat sich ein gemeinsamer Arbeitskreis von christlichen und muslimischen Gemeindemitgliedern bewährt. Dieser kann die zeitliche, organisatorische und inhaltliche Planung von Dialogveranstaltungen und gemeinsamen Begegnungen gewährleisten.
Schließlich bieten einzelne katholische Bistümer und evangelische Landeskirchen sowie die Zentralen der muslimischen Verbände für ihre haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Fortbildungen für den Erwerb bzw. die Vertiefung interkultureller und interreligiöser Kompetenzen an (▸Befähigung zum Dialog – Interreligiöse Kompetenz). Sie sollten auf alle Fälle genutzt werden, denn das Erlernte ist für die Arbeit vor Ort außerordentlich hilfreich und bringt ebenfalls neue Ideen und Projekte hervor.
Wer ist Dialogpartner?
Eine wichtige Frage, die im christlich-islamischen Dialog gegenwärtig eine immer größere Rolle spielt, ist diejenige, wer Dialogpartner sein kann. Insgesamt zeigt sich, dass es im Moment eine gegenläufige Bewegung gibt: Auf der einen Seite sinkt die Zahl der christlichen Gemeinden auf Grund der sinkenden Zahl der Gläubigen; auf der anderen Seite wächst die Zahl der muslimischen Gruppierungen, mit denen in Dialog getreten werden kann. So sind neue Verbände, Initiativen und Vereine entstanden, die aktiv im Dialog sind. Ebenfalls haben sich muslimische Organisationen gebildet, die vor allem im Bereich der Bildung, Spiritualität, Erziehung, Seelsorge, Soziale Arbeit und Diakonie tätig sind. Sie bieten parallel zu den klassischen Moscheegemeinden entsprechende Angebote an. Diese Pluralität auf Seiten der Muslime führt zu Unsicherheiten auf christlicher Seite, weil sich die Zahl der Dialogpartner:innen vervielfältigt. Weiterhin stehen einige muslimische Verbände auf Grund ihrer engen Verbindung zu den Herkunftsländern und den darin vorherrschenden politischen und religiösen Strömungen in der Kritik. Weil diesen Verbänden die meisten Moscheegemeinden angehören, geraten auch sie in den Fokus der Öffentlichkeit.
Für den christlich-islamischen Dialog vor Ort ist es wichtig zu wissen, mit wem man in Beziehung tritt. Neben allgemeinen Informationen (▸ Muslimische Akteure im christlich-islamischen Dialog – weltweit und in Deutschland) kann man sich an die Dialogbeauftragten der Kirchen richten, um weitere aktuelle Informationen zu den einzelnen muslimischen Verbänden zu bekommen, aber auch zu den neuen muslimischen Initiativen und Vereinen. Weiterhin ist es – so zeigt es die Erfahrung – hilfreich, sich anzuschauen, wie offen und bereit die Moscheegemeinden vor Ort für den Dialog sind. Viele muslimische Vereine gehören nämlich deshalb einem Verband an, um an seiner Infrastruktur zu partizipieren, wie z.B. die Bereitstellung von Imamen, einem Sterbefonds zur Beerdigung im Herkunftsland, für Weiterbildungen und vieles mehr. Von daher sollte es keine Dialogverweigerung geben, wenn die Moscheegemeinde vor Ort Kontakt zur christlichen Gemeinde sucht, auch wenn sie einem Verband angehört, der in der Kritik steht. Im Kontakt und in den Gesprächen wird sich zeigen, ob die Verbandslinie lückenlos mitgetragen wird oder ob es – was meistens der Fall ist – ein differenzierteres und auch distanzierteres Verhältnis den Positionen und Aktivitäten des Verbandes besteht.
Auf der anderen Seite besteht auf muslimischer Seite die Befürchtung, dass christlicherseits eine ablehnende Haltung zum Dialog besteht. Gerade wenn gegen den Islam in Deutschland das sogenannte christliche Abendland beschworen und identitätspolitisch in Stellung gebracht wird, müssten die christlichen Gemeinden sich gegen diese Ideologisierung in Stellung bringen. Das Gleiche gilt, wenn bestimmte Parteien und Medien Aussagen treffen, die von einem antimuslimischen Rassismus durchsetzt sind. Hier müssen die christlichen Dialogpartner:innen ihren muslimischen Geschwistern zur Seite stehen und bewusst Gegennarrative setzen. Auch im Hinblick auf einen innermigrantischen anti-islamischen Rassismus sollte entsprechend sensibel und aufmerksam reagiert werden. Der Hintergrund sind oft historische Erfahrungen, nicht selten durch in der aufnehmenden Gesellschaft vorhandenen Ressentiments fortgesetzt und verstärkt werden.
Zum guten Schluss
Der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber hat darauf hingewiesen, dass alles wirkliche Leben Begegnung ist. In der Begegnung werden Menschen bereichert, und es werden ihnen neue Horizonte und Lebensmöglichkeiten eröffnet. Der christlich-islamische Dialog ist eine solche Begegnung im Sinne Martin Bubers. Wer sich darauf einlässt, wird in vielerlei Hinsicht beschenkt, auch dadurch, dass sich der eigene Glaube und die persönliche Spiritualität vertiefen. Die Reise in den Dialog und damit zu den Menschen kann jederzeit begonnen werden; man muss nur den ersten Schritt wagen.
Zitierte Literatur
Sekretariat der deutschen Bischofskonferenz (Hg.), Christen und Muslime, Bonn 2003 (Download)
Zum Weiterlesen
Alboğa, Bekir / Bienemann, Georg / Höbsch, Werner, Christen und Muslime Tür an Tür. Basiswissen kompakt, München 2008
Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) / Koordinationsrat der Muslime (KRM) (Hg.), Dialogratgeber zur Förderung der Begegnung zwischen Christen und Muslimen in Deutschland, Hannover/Köln 2015 (Download)
Rohe, Mathias u.a. (Hg.), Christentum und Islam in Deutschland. Grundlagen, Perspektiven und Erfahrungen des Zusammenlebens, Freiburg 2015
Rüschenschmidt, David, Zwischen Kirchturm und Minarett. Der christlich-islamische Dialog seit 1973, Frankfurt a. M. 2022
Stiftung Weltethos, Lokale Räte der Religionen. Für ein konstruktives Miteinander in Vielfalt. Eine Handreichung, Tübingen 2023 Download
Wüstenberg, Ralf K., Einander wahrnehmen. Ein Dialogmodell für die christlich-islamische Begegnung, Gütersloh 2021
»Weißt du, wer ich bin?« Das Projekt der drei großen Religionen für friedliches Zusammenleben in Deutschland (Hg.), Material- und Initiativenhefte (Download)