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Dem christlich-islamischen Dialog Gehör verschaffen – Medien und Öffentlichkeitsarbeit

Daniel Meier
Die Darstellung von „Medien und Öffentlichkeitsarbeit“ als eigenem Ort des christlich-islamischen Dialogs birgt Schwierigkeiten: So bedienen sich eine ganze Reihe in diesem online-Handbuch erwähnter und reflektierter Projekte unterschiedlicher Medien. Vor allem im Bildungsbereich gehören Medienprojekte zum Thema Islam seit vielen Jahren zum festen Bestandteil der Didaktik, zum Beispiel in Gestalt einer Fotoausstellung mit porträtierten Muslim:innen, einer Audio-Umfrage zur religiösen Sozialisation türkischer Jugendlicher oder der Video-Reportage über das Fest des Fastenbrechens im islamisch geprägten Stadtteil. Der folgende Beitrag konzentriert sich daher auf zwei fester zu greifende Bereiche der Massenmedien: den Journalismus und die Öffentlichkeitsarbeit. Einer knappen Skizze der medialen Präsenz des Islam schließen sich Hinweise für die Zusammenarbeit der im christlich-islamischen Dialog Aktiven zu jenen Journalistinnen und Journalisten an, die mit der Islamberichterstattung betraut sind. Tipps für die Öffentlichkeitsarbeit von Initiativen des christlich-islamischen Dialogs runden den Beitrag ab.
Veröffentlicht im Mai 2014
Aktualisiert im März 2023
Zitierlink: https://handbuch-cid.de/dem-christlich-islamischen-dialog-gehoer-verschaffen-medien-und-oeffentlichkeitsarbeit/

Journalistische Wahrnehmung des Islam

Zunächst zur journalistischen Wahrnehmung des Islam: Die Ergebnisse von Studien wie jene zur religiösen Vielfalt in Europa (Pollak, 2010), wonach die Deutschen intoleranter gegenüber dem Islam (und anderen nicht-christlichen Religionen) sind als ihre westeuropäischen Nachbarn, sind auch auf das Gesicht des Islam in den Medien zurückführen. Empirische Analysen der Islamberichterstattung bestätigen, auch im internationalen Kontext, dass der Journalismus ein überwiegend negatives Islambild zeichnet. So wird der Islam mehrheitlich mit Gewalt- und Konfliktthemen wie dem internationalen Terrorismus in Verbindung gebracht und die Religion und ihre Gläubigen werden entsprechend als Sicherheitsrisiko wahrgenommen. Verhängnisvoll ist nicht zuletzt, dass sämtliche Symbole für den Islam, wie Moschee, Gebet oder Kopftuch, in der massenmedialen Öffentlichkeit bereits als Symbole des Islamismus dienen. So wird die Bezeichnung Moschee in der Regel weniger als Ort des Gebetes und der Begegnung wahrgenommen, sondern eher als Ort der Verschwörung.

Bei aller notwendigen Kritik an der Islamberichterstattung muss indes davor gewarnt werden, aufgrund der Lektüre ausgewählter Beiträge ein pauschales Urteil über „die Medien“ zu fällen, den Journalist:innen jedoch andererseits vorzuwerfen, hinsichtlich „der Muslime“ respektive „des Islam“ nicht genügend zu differenzieren. Auch kann die Aufgabe von Journalist:innen nicht darin liegen, etwa die empirischen Ergebnisse zur Gewaltbereitschaft türkischer Jugendlicher oder die Warnung vor islamistischem Terror seitens des Innenministeriums zu verschweigen, aus der berechtigten Sorge heraus, die Fremdenfeindlichkeit der Leserinnen und Leser zu schüren. Die Ablehnung von Panikmache geriete dann zur falschen, weil einseitigen Parteinahme und Sympathiewerbung für die Muslime. Oftmals bewegen sich Journalistinnen und Journalisten in einem ethischen Konflikt, wenn sie einerseits verantwortungsethisch der Integration und Verständigung dienen wollen, andererseits jedoch der verfassungsgerichtlich auferlegten Pflicht zur Information und Kritik unterliegen. Eine medienethisch verantwortbare Wahrnehmung des Islam dürfte von daher nicht primär darin liegen, den Nachrichtenwert der Negativität zu vernachlässigen, wohl aber in dem Bemühen, auch andere Seiten des Islam zu berücksichtigen.

Andererseits lässt sich seit einigen Jahren durchaus eine stärkere Individualisierung und Personalisierung muslimischer Glaubens- und Lebenswelten im Journalismus ausmachen. Journalistische Projekte mit der Zielsetzung, den christlich-islamischen Dialog zu fördern, können diesen Ansatz stärken, unterliegen aber ebenfalls der ethischen Grundspannung zwischen den Funktionen der Integration und der Kritik, wenn sie sich nicht dem Verdacht aussetzen wollen, Probleme des christlich-islamischen Dialogs zu verschweigen.

Beziehungen zu Journalistinnen und Journalisten aufbauen

Welches Vorgehen empfiehlt sich nun, um Themen des christlich-islamischen Dialogs im Journalismus Gehör zu verschaffen? Auch wenn die Stellen der früher üblichen church editors abgebaut wurden, gibt es doch in nicht wenigen Redaktionen eine Person, die sich unter anderem im Bereich von Religion und Integration auskennt. Um einer authentischen Wahrnehmung willen versuchen zudem manche Rundfunkanstalten gezielt, Journalist:innen mit Migrationshintergrund für die Mitarbeit zu gewinnen. Für Aktive im Bereich des Dialogs ist es grundlegend, Beziehungen zu den Journalist:innen herzustellen bei Redaktionsbesuchen oder auch auf Jahresempfängen der entsprechenden Trägereinrichtung. Insbesondere kirchliche Medien sind in der Regel offen für Anregungen. Wer eine Pressekonferenz plant, sollte vorher bei einer befreundeten Journalistin bzw. einem befreundeten Journalisten nachfragen, ob dieser das zu Grunde liegende Thema oder Ereignis für wichtig genug hält, um sich auf den Weg in die betreffende Einrichtung zu machen. Einen Mehrwert bietet ein Pressetermin dann, wenn neben Statements der Verantwortlichen auch interessante Leute von der „Basis“ hinzugezogen werden; etwa in Gestalt von Jugendlichen, die eine Ausstellung unter dem Titel „Fremde Heimat“ erarbeitet haben und in diesem Rahmen Familien aus einer Vielzahl von Nationen fotografisch und textlich im Foyer des Gemeindehauses präsentieren.

Ideal für die Zusammenarbeit mit den Medien ist eine eigene Fachkraft für Öffentlichkeitsarbeit, andererseits lässt sich das Basiswissen auch im Seminar einer Medienakademie erwerben. Für die Themenfindung ist es hilfreich, sich einen Überblick über die gängigen „Nachrichtenfaktoren“ als journalistischer Wahrnehmungskriterien zu verschaffen. So sind die Überraschung, die Personalisierung, die Prominenz, die Emotionalisierung, die Visualisierung, der Konflikt und die Negativität für die Wahrnehmung im Journalismus zentral. Für die Präsenz des christlich-islamischen Dialogs ist es jedoch gut zu wissen, dass auch die Positivität zum Beispiel im Sinne der Wahrnehmung von Hilfsprojekten oder sonstiger „guter Werke“ eine Rolle spielt. Auch darf der Faktor der Aktualität nicht auf das Verständnis eines möglichst geringen Abstandes zwischen Ereignis und Nachricht reduziert werden. Vielmehr spielen auch nachhaltige Fragen des gesellschaftlichen und religiösen Zusammenlebens eine zentrale Rolle im Journalismus. Der Faktor der Nähe bedeutet schließlich, dass gerade Lokaljournalist:innen oftmals ein Interesse daran haben, Themen der „großen“ (z.B. Integrations-)Politik auf die örtliche Ebene „herunterzubrechen“, wie es im Jargon heißt. Im Übrigen beziehen sich die genannten „Nachrichtenfaktoren“ nicht nur auf die journalistische Form der Nachricht; gerade für die Komplexität religiöser Themen bieten sich oftmals die stärker narrativen Formen der Reportage (z. B. über den Alltag in einer Begegnungsstätte) oder des Porträts (etwa über einen Imam) an.

Blick auf die Adressatinnen und Adressaten

Um das Ergebnis der Kontaktaufnahme zu den Medien angemessen einschätzen zu können, ist es hilfreich, sich klarzumachen, dass manche Skepsis mancher Journalist:innenen gegenüber einer (zu) starken Präsenz des christlich-islamischen Dialogs in den Medien daher rührt, dass das Publikum häufig reservierter den Muslimen gegenüber ist, als dies bei den Journalistinnen und Journalisten der Fall ist. Dies zeigt sich besonders bei der Lektüre von Leserbriefen und Online-Kommentaren, die oftmals nicht publiziert werden, weil ihnen eine latente oder offene Fremdenfeindlichkeit innewohnt. Die Träume, dass die Mitsprachemöglichkeiten des Publikums im Web 2.0 einem differenzierteren Bild des Islam in den Medien dienen mögen, haben sich nicht erfüllt. Erschwerend tritt der Umstand hinzu, dass gerade jene Menschen, um die es bei der Islamberichterstattung geht, die entsprechende deutschsprachige Zeitung in der Regel nicht lesen, sondern vielmehr die türkischsprachige Hürriyet oder Zaman bevorzugen. Ein nicht zu unterschätzendes Medium sind auch die kostenlosen lokalen Werbezeitungen, von denen es inzwischen in vielen Gegenden auch türkische Ausgaben gibt.

Selbststudium und Fortbildungen

Als Literatur empfiehlt sich eines der einschlägigen Handbücher für den Journalismus und die Öffentlichkeitsarbeit (vgl. La Roche u.a., 2013). Zum Religionsjournalismus vgl. den weiterführenden Beitrag des Autors (Meier, 2012). Zur Themenfindung finden sich wertvolle Hinweise unter dem Stichwort „Nachrichtenwerttheorie“ (vgl. Maier u. a., 2010).

Grundlegende Kenntnisse im Bereich von Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit vermitteln zum Beispiel ProContent in Essen, die Akademie der Bayerischen Presse in München oder die Hamburger Akademie für Publizistik in ihren Kursen. Den besten Einblick in den Journalismus gestattet indes ein mehrwöchiges Praktikum in einer Lokalredaktion, bei dem zugleich gute Kontakte für die spätere Zusammenarbeit als Beauftragte oder Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit geknüpft werden können.

Zitierte Literatur

Maier, Michaela u. a., Nachrichtenwerttheorie, Baden-Baden 2018

Meier, Daniel, Religionsjournalismus, in: Kaiser, Markus (Hg.), Special Interest. Ressortjournalismus – Konzepte, Ausbildung, Praxis, München 2012, 120–132

La Roche, Walther von / Hooffacker, Gabriele / Meier, Klaus: Einführung in den praktischen Journalismus, Wiesbaden 2013

Pollak, Detlef, Studie „Wahrnehmung und Akzeptanz religiöser Vielfalt“. Bevölkerungsumfrage des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ an Westfälischen Wilhelms Universität Münster, Münster 2010. Open Access: https://www.uni-muenster.de/Religion-und-Politik/aktuelles/2010/dez/PM_Studie_Religioese_Vielfalt_in_Europa.html

Zum Weiterlesen

Maier, Michaela u. a., Nachrichtenwerttheorie, Baden-Baden 2018:

Meier, Daniel, Religionsjournalismus, in: Kaiser, Markus (Hg.), Special Interest. Ressortjournalismus – Konzepte, Ausbildung, Praxis, München 2012, 120–132

La Roche, Walther von / Hooffacker, Gabriele / Meier, Klaus: Einführung in den praktischen Journalismus, Wiesbaden 2013

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