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Zugänge zum christlich-islamischen Dialog aus religionsgeschichtlicher Perspektive

Ina Wunn
Dieser Artikel betrachtet den christlich-islamischen Dialog aus religionswissenschaftlicher Perspektive und grenzt sich von der theologischen Perspektive ab, die sich auf den Wahrheitsanspruch der Religionen fokussiert. Ein knapper Rückblick auf die Geschichte der gegenseitigen Wahrnehmung zeigt, dass die theologischen Auseinandersetzungen beider Religionen nicht immer dialogisch geprägt waren. Aus der Entstehungsgeschichte des Christentums und des Islams wird deutlich, dass sie sich auf ihre Vorläuferreligionen beziehen, sich mit diesen inhaltlich auseinandersetzen und sich teilweise in Abgrenzung zu ihnen definieren, was den interreligiösen Dialog bis heute erschwert. Im Gegensatz zur theologischen Perspektive formuliert die Religionswissenschaft keinen Wahrheitsanspruch und ist nicht an Dogmen gebunden, sondern kann den interreligiösen Dialog begleiten und ihn aus verschiedenen Perspektiven analysieren.
Veröffentlicht im Mai 2014
Aktualisiert im März 2023
Zitierlink: https://handbuch-cid.de/zugange-zum-christlich-islamischen-dialog-aus-religionsgeschichtlicher-perspektive/

Besonderheiten der religionswissenschaftlichen Perspektive

Die Religionswissenschaft, die sich im Unterschied zu den verwandten, aber normativen Disziplinen Philosophie und Theologie die „empirische Kenntnis der historisch erforschbaren Religionen und das theoretische Verständnis von Religion als Teil menschlicher Kultur“ (Seiwert, Religionswissenschaft, 2004, 404) zum Ziel gesetzt hat, unterzieht den christlich-islamischen Dialog einer wissenschaftlichen (religionsgeschichtlichen, religionssoziologischen, religionspsychologischen usw.) Betrachtung. Im Unterschied zur wissenschaftlichen Binnenperspektive der Theologie distanziert sich die Religionswissenschaft dabei aber vom Wahrheitsanspruch der jeweiligen religiösen Überlieferung, der naturgemäß die Dialogperspektive der am Dialog beteiligten Religionen prägt. In diesem Zusammenhang ist nicht nur das jeweilige Dogma problematisch, sondern die ursprüngliche inhaltliche Konnotation des Dialogbegriffs selbst entpuppt sich als schwierig: Ursprünglich ein philosophisches Streitgespräch, diente der Dialog unter anderem bereits bei Platon (428/427–348/347 v.Chr.) der Befreiung von falschen Ansichten und der Vermittlung wahrer Erkenntnis, ein Anspruch, der sich schon durch die Streitschriften der alten Kirche zieht. Dialoge im Sinne von Streitgesprächen kennzeichneten auch die Auseinandersetzungen um die richtige Lehre auf den vier ersten ökumenischen Konzilen der noch jungen Kirche, die letztlich in die dogmatische Festlegung der kirchlichen Lehrmeinung mündete und sich folgerichtig auch in die Auseinandersetzung mit dem Islam hineinzog.

Andererseits folgt aus der Entstehungsgeschichte sowohl des Christentums als auch des Islam, die jeweils auf dem Boden monotheistischer Vorläuferreligionen entstanden sind, dass sie sich auf ihre jeweiligen Vorläufer beziehen, inhaltlich damit auseinandersetzen und nicht zuletzt dadurch definieren. Der Dialog mit dem jeweils „Anderen“ ist also sowohl für das Christentum als auch für den Islam konstitutionell, bezieht allerdings notwendigerweise auch das Judentum als dritte der abrahamitischen Religionen mit ein.

Die Frühzeit des Islam

In dieser Beziehung kann die Entstehung des Islam geradezu als Paradebeispiel gelten: Der Prophet Muhammad verkündigte die neue Lehre als Ergebnis einer direkten dialogischen Auseinandersetzung mit den großen monotheistischen Religionen, wie er sie in seiner Heimat und auf seinen Handelsreisen kennengelernt hat. Dazu der Jenaer Religionswissenschaftler Bertram Schmitz: „Als religionsgeschichtliches Zeugnis bildet die zweite Sure, die Baqara, das zentrale Moment innerhalb des Koran (…). Während sich Muhammad zu Beginn dieser Sure noch innerhalb der einen Religion Gottes sieht, die durch die Konkurrenz der beiden Religionen Judentum und Christentum zerteilt ist, liegt am Ende dieser Sure eine neue, absolute Religion vor (…) Diese Religion versteht sich als Reinstallierung der alten Religion Abrahams und hat ihre abgrenzende Gestalt gewonnen aus der Auseinandersetzung mit den beiden biblischen Religionen.“ (Schmitz, Koran, 2009, 9) Dieser Herkunft und gleichzeitig der antiken Dialogtradition entsprechend kann der Koran über weite Teile auch – ungeachtet des muslimischen Anspruchs auf göttliche Offenbarung und der späteren Kompilationsgeschichte der Suren – als Dokumentation eines auf Belehrung und Erkenntnisgewinn zielenden Dialogs zwischen Muhammad und seinen geistigen Widersachern gelesen werden. Wie stark der Dialog mit dem Christentum auch auf die weitere Ausgestaltung des Islam und vor allem die Lebensführung frommer Muslime  gewirkt hat, wird unter anderem deutlich, wenn man den Blick auf die so genannte AdabLiteratur (ein unter den Abbassiden zur Blüte gelangtes literarisches Genre, in dem es um die gute Sitte im Sinne sowohl eleganten als auch ethisch tadellosen Verhaltens geht) lenkt: Im Zuge der islamischen Eroberung drangen christliche Vorstellungen von der Urschuld der Frau, die durch koranische Aussagen keineswegs gedeckt sind (vgl. Walther, Frau, 1990, 391–392), in den Islam ein und haben sich bis heute halten können. Es ist einer jungen, feministisch geprägten Frauengeneration vorbehalten, diese Entwicklung deutlich zu machen und als unislamisch zu brandmarken; auch dies eine Folge des christlich-islamischen Dialogs mit dem Blick auf die Situation der Frauen in islamisch geprägten Ländern (vgl. Wunn / Selçuk, Islam, 2013).

Vom Ummayyadenkalifat bis zum Osmanischen Reich

Als mehr oder weniger direkte Reaktion auf die junge Religion des Islam tauchten unmittelbar nach den islamischen Eroberungen von christlicher Seite Polemiken auf, die einerseits als Argumentationshilfen bei Streitgesprächen mit Muslimen, andererseits aber auch zur Selbstvergewisserung der Christen gedacht waren. In diesem Zusammenhang sind sowohl die schriftliche Fassung einer Disputation zwischen einem Christen und einem Muslim, als auch die Schrift De Haeresibus des heiligen Johannes Damaszenus (ca. 650–754) zu nennen, der als ranghohe Persönlichkeit am Hofe der Ummayyaden ein intimer Islamkenner war und seine Schriften möglicherweise als Reaktion auf christenfeindliche Tendenzen unter dem Kalifen Abd al-Malik (685–705) verfasst hat (vgl. Watt / Welch, Islam I, 1980, 17f).

Die christliche Auseinandersetzung mit dem Islam erschöpfte sich in den darauffolgenden Jahrhunderten weiter in Polemiken, die vor allem als Reaktion auf einen kulturell und militärisch überlegenen Gegner anzusehen waren. Erst dem Abt von Cluny, Petrus Venerabilis (1092–1156), ist es zu verdanken, dass der Koran und andere philosophische und naturwissenschaftliche Texte ins Lateinische übersetzt wurden und damit eine mehr oder weniger fundierte Auseinandersetzung erlaubten. Er selbst verfasste eine kurze Zusammenfassung der islamischen Lehren unter dem Titel Summula quaedam brevis und deren Widerlegung Liber contra sectam sive haeresem Saracenorum, die heute als „Corpus von Cluny“ bekannt sind und die zwar nicht im eigentlichen Sinne dem Dialog gewidmet sind, sich jedoch auf der Basis bestmöglicher Information mit dem Islam auseinandersetzen. Dialogischen Charakter hat dagegen die Disputatio contra Saracenos et Alchoranum des Missionars und Orientreisenden Ricolo da Monte Croce (1243–1320), die, obwohl sie sich auf die besten damals verfügbaren Quellen stützte, zu verzerrenden Darstellungen kam, die das Islambild zum Teil bis heute prägen. Zu einem tatsächlichen Dialog war es dagegen wenige Jahre zuvor im Verlauf des fünften Kreuzzuges gekommen, als der später heiliggesprochene Franz von Assisi bei Damiette den Ayyubidensultan al-Kamil aufsuchte, um ihn zum Christentum zu bekehren. Obwohl der Bekehrungsversuch scheiterte, zeigte dieser frühe Dialog doch insofern positive Folgen, als der Begründer des Franziskanerordens, tief beeindruckt von der muslimischen Frömmigkeit, seinen Ordensbrüdern das dreimalige tägliche Angelus-Gebet zu festen Gebetszeiten verordnete (vgl. Schmucki, Franziskus von Assisi, 2004, 252).

Traurige Berühmtheit hat dagegen der Dialog des hoch gebildeten byzantinischen Kaisers Manuel II. (1350–1425) erlangt, der als kenntnisreicher Freund des osmanischen Sultans Mehmed I. und Kenner der dogmatischen Positionen der orthodoxen Kirche sowohl das Christentum als auch den Islam kannte und die christlich-orthodoxen Positionen während eines Streitgesprächs (vermutlich 1391) mit einem Muslim klug und ohne Fanatismus vertrat (vgl. Khoury, Manuel II., 1966). Aus der daraus resultierenden Schrift „Dialoge mit einem Perser“ zitierte am 12. September 2006 Papst Benedikt XVI. im Rahmen einer Vorlesung an der Universität Regensburg, rief damit die Empörung der Muslimen hervor und vertiefte die Reihe der Missverständnisse, die den christlich-islamischen Dialog bis heute belasten. Weite Folgen für das populäre Islambild hatten auch Martin Luthers während der Belagerung Wiens durch die Osmanen verfassten Schriften „Vom Kriege wider die Türken“ und „Heerpredigt wider die Türken“ von 1529, in der er dem Islam unterstellte, Mord und Raub zu legitimieren und die Türken – allerdings auch den Papst – als den Antichrist bezeichnete. Eine ähnliche Gleichsetzung lässt sich bereits ein Jahrhundert zuvor bei dem englischen Reformator John Wycliffe finden, der sowohl beim Islam wie der abendländischen Kirche Begehrlichkeit, Machtgelüste, Besitzstreben und das Evangelium der Gewalt ausmacht (vgl. Watt / Welch, Islam I, 1980, 23).

Renaissance und Aufklärung

Diese durch die kriegerischen Auseinandersetzungen an den Grenzen des christlichen Europa geprägte polemische Auseinandersetzung mit dem Islam wich zum ersten Mal in der Renaissance einem ernsthaften Interesse, als christliche Gelehrten sich im Zuge einer erneuten Hinwendung zur Antike auch mit derjenigen Kultur befassten, der sie die Überlieferung und Bewahrung antiker Schriften zu verdanken hatten: dem Islam. Dennoch dauerte es noch fast zwei Jahrhunderte, bis mit Adrian Relands De religione mohammedica (Utrecht 1705), ein Werk erschien, das dem Islam Gerechtigkeit widerfahren lassen wollte und zu einem so positiven Urteil kam, dass die Kirche das Werk auf den Index setzte. Es ist kein Zufall, dass ein solches Buch gerade in den Niederlanden erschien, die nicht nur als Handelsnation weltoffen waren, sondern auch den nach der Reconquista aus Spanien vertriebenen Juden eine neue Heimat geboten und damit die wissenschaftliche Diskussion im Lande ungemein belebt hatten.

Eine wichtige Rolle spielte auch der aufkommende reflektierte Anthropozentrismus, der einherging mit einer programmatischen Individualisierung von Religion und der Betonung von Freiheit in Glaubensdingen. Dies musste letztlich zwangsläufig zu einer Relativierung der Absolutheitsansprüche sowohl der Kirche(n) als auch des Christentums selbst führen; eine Haltung, die sich in der Religionsphilosophie der Aufklärung deutlich widerspiegelt.

Angefangen bei Descartes über Spinoza bis zu Leibniz muss Gott zwar notwendigerweise als idea innatae, deus sive naturae (angeborene Vorstellungen; Descartes), dies sive naturae (Gott und Natur sind identisch; Spinoza) oder „Urmonade Gott“ (Gott als das letztursächliche Element der Wirklichkeit; Leibnitz) gedacht werden; dieser Gott ist nun aber nicht mehr der christliche oder bei Spinoza der jüdische Gott, sondern Substanz und Voraussetzung der Vielfalt der Erscheinungsformen der Wirklichkeit. Theologisch und kirchlich spiegelte sich diese Auffassung in Fragestellungen wider, die sich um Naturrecht und natürliche Religion drehten und zur Ausbildung konfessionell tragfähiger ethischer Grundlagen führte; eine Fragestellung, die exemplarisch von Gotthold Ephraim Lessing aufgegriffen wurde und in seinem Drama „Nathan der Weise“ seinen Niederschlag fand. In diesem Stück wird der exkludierende Wahrheitsanspruch der abrahamitischen Religionen in dialogischer Form diskutiert, um letztlich zu dem Ergebnis zu kommen, dass diejenige Religion am wahrsten sei, die den ethischen Ansprüchen am meisten genügt. Diese positive literarische Darstellung des Islam fand ihre Fortsetzung sowohl in Goethes „West-östlicher Divan“, in dem er dem Islam göttliche Herkunft attestiert, als auch in Friedrich Rückerts inspirierter Koranübersetzung.

Trotz dieser Tendenzen darf nicht unterschlagen werden, dass die Aufklärung auch dezidiert religionskritische bis religionsfeindliche Tendenzen zeigt. Diese Einstellungen prägen zwar nicht den Dialog der Religionen miteinander, führen aber zu einer religionskritischen Haltung der heutigen Gesellschaft, die für die weit verbreitete Abneigung gegen den Islam bzw. Ansprüche seiner Anhänger, diesen öffentlich leben zu wollen, entscheidende Verantwortung trägt.

Das Christentum aus islamischer Sicht

Im südwestlichen Europa, konkret in Spanien, waren es jedoch nicht aufklärerische Gedanken, sondern politische Interessen, die das Verhältnis von Christen und Muslimen bestimmten. Als nach der Reconquista, der man auf muslimischer Seite erfolglos mit dem Konzept des Dschihad begegnete, die Muslimen unter die Herrschaft Kastiliens kamen, wurden ab 1502 die so genannten Mudéjares zwangschristianisiert und das Eigentum muslimischer Institutionen konfisziert. Die spanische Unterdrückung mündete letztlich in einem Aufstand (1569–1571) und endete mit der endgültigen Vertreibung der spanischen Muslimen zwischen 1609 und 1611 (Casassas Canals, Mudéjares, 2007). Auch außereuropäisch geriet der Islam in den Fokus christlicher Missionare und der Annexionsbestrebungen der europäischen Mächte, obwohl im Europa der Aufklärung nicht nur die Absolutheitsansprüche der christlichen Religion und die Religion selbst in Frage gestellt wurden. Ethisch wurden die kolonialistischen Bestrebungen mit der höheren Entwicklung der europäischen Kultur und Religion begründet; auch dies ein geistiges Produkt der Aufklärung. Der Islam reagierte auf diese Herausforderung mit einer intensiven Auseinandersetzung und Selbstreflexion, in deren Verlauf er die zeitgenössische Unterlegenheit islamischer Länder einerseits in der Abkehr vom wahren Islam und seinen Tugenden verortete und entsprechende Reformen einklagte, andererseits aber auch den Dialog mit dem Westen bzw. europäischen Errungenschaften suchte, um sich in einer Welt behaupten zu können, in der die ökonomische und militärische Überlegenheit Europas die Spielregeln vorgab. Exemplarisch für diese Bemühungen ist die Bewegung des Mirza Gulam Ahmad, der zwischen 1880 und 1883 mit einem ersten Werk, Barahin-i Ahmadiyya, an die Öffentlichkeit trat, in dem er, entsprechend dem zu seiner Zeit üblichen aggressiven Stil der interreligiösen Auseinandersetzung, das Christentum scharf angriff. Überzeugt von seinem persönlichen Sendungsauftrag und unter dem Eindruck von persönlichen religiösen Erlebnissen verstand er sich in den kommenden Jahren als Heilsbringer aller Religionen, als Mahdi, wiederkehrender Christus und Messias, der als von Gott berufener Erneuerer der die anderen Religionen einschließenden Bedeutung des Islam Geltung verschaffen werde. Im Osmanischen Reich war es neben anderen der von seinen Anhängern als Sozialreformer gefeierte Said Nursi, der angesichts der westlichen Überlegenheit vor allem auf dem Bildungssektor Reformen anmahnte und gleichzeitig mit seinem volkstümlichen Korankommentar seine Anhänger für eine Auseinandersetzung mit konkurrierenden Sinnanbietern vorbereitete. Stark dialogisch orientiert war bis zu ihrer Umstrukturierung im Jahre 2000 auch die Bewegung des Theologieprofessors Süleyman Hilmi Tunahan (1888–1959), dessen aus der islamischen Mystik hervorgegangene Bewegung in Deutschland unter dem Namen Verband der Islamischen Kulturzentren bekannt ist (vgl. Jonker, Wellenlänge, 2002, 193–195).

Obwohl Christentum und Islam sich im Laufe ihrer Geschichte vielfach aufeinander bezogen und sich intensiv mit dem jeweils Anderen auseinandersetzten, war diese Auseinandersetzung meist nicht im eigentlichen Sinne dialogisch geprägt, d.h. von Respekt für den jeweiligen Gesprächspartner und der Überzeugung, in der Auffassung des Anderen bemerkenswerte Einsichten zu finden. Im Gegenteil: Der knappe Rückblick auf die Geschichte der gegenseitigen Wahrnehmung zeigt, dass diese Wahrnehmung und Auseinandersetzung vorwiegend unter dem Druck (militär-)politischer Ereignisse und dem Gefühl einer drückenden militärischen und kulturellen Übermacht des Gegners zustande kam.

So kann auch der heutige Dialog, der inzwischen auf allen gesellschaftlichen Ebenen, zwischen den religiösen Organisationen, den jeweiligen Theologen und den entsprechenden Gemeinden mit großem Erfolg und hoher gegenseitiger Akzeptanz geführt wird, als das Ergebnis von Migrationsprozessen gesehen werden, bei denen im Zuge von Integrationsbemühungen gerade seitens der Zuwanderer  ein starkes Interesse besteht, ihre Religion verständlich zu machen, Vorurteile aus dem Weg zu räumen, die Kompatibilität des Islam mit den Idealen der Mehrheitsgesellschaft herauszustreichen, sich aber auch ihrer eigenen Identität zu vergewissern.

Entsprechend ihrem Anspruch, den christlich-islamischen Dialog aus einer wissenschaftlichen Perspektive reflektierend und analysierend zu betrachten, greift die Religionswissenschaft in diesen Dialog nicht direkt ein, sondern begleitet und analysiert ihn aus unterschiedlicher (religionsgeschichtlicher, religionssoziologischer, religionspsychologischer usw.) Perspektive. Auch religionswissenschaftliche Analysen und Fragestellungen haben jedoch – wie die jeweilige und zeitspezifische Ausprägung der fraglichen Religion auch – ihren „Sitz im Leben“, das heißt sie spiegeln die Interessenlage des gesellschaftlichen Umfeldes und die Bedürfnisse bestimmter religiöser und gesellschaftlicher Gruppen wider und wirken so auf die am Dialog beteiligten Religionen zurück. Die Tatsache, dass heute ein allgemeines Interesse der Religionsgemeinschaften am Dialog und an einem entsprechend positiven, dialogorientierten Bild in der Öffentlichkeit besteht, ermöglicht eine starke Rückwirkung religionswissenschaftlicher Analysen auf den Dialog selbst, der dadurch zumindest (oder hoffentlich) offener geführt und versachlicht wird.

Zum Weiterlesen

Auffarth, Christoph, Dialog mit dem Islam. Anmerkungen aus Sicht mittelalterlicher

Christen. 1. Der Westen, in: Wissenschaft und Weisheit 59 (1996), 131–143 Aries, Wolf Ahmed, Der christlich-islamische Dialog. Chancen und Grenzen, Marburg 2011

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