Einleitung
In der katholischen Kirche hat vor allem im 20. Jahrhundert die sachliche Auseinandersetzung mit dem Islam begonnen. Die visionäre Pionierarbeit von katholischen Theologinnen und Theologen und Islamwissenschaftlerinnen und Islamwissenschaftlern wie Louis Massignon (1983-1962), Georges Anawati (1905-1994) und anderen fand in den Erklärungen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962 – 1965) eine Bestätigung. Es handelt sich hierbei um die Texte Lumen Gentium und Nostra Aetate. Durch sie wurde eine neue Phase der Beziehungen zwischen Christen und Muslimen eingeleitet (▸ Zugänge zum christlich-islamischen Dialog aus katholischer Perspektive). In den Dokumenten markierte die katholische Kirche ihren wohl nicht revidierbaren Standort und die Absicht, den Dialog mit allen Menschen guten Willens zu suchen und mit „Klugheit und Liebe“ (Nostra Aetate 2) zu führen. Seitdem haben die Päpste in ihren Pastoralreisen in den verschiedenen Gegenden der Welt das Thema interreligiöser Dialog bzw. christlich-islamischer Dialog angesprochen und ermutigt, im Geiste des Zweiten Vatikanischen Konzils in diesen Bereichen voranzugehen.
Papst Franziskus stellte seine historische Pastoralreise unter das Motto eines Gebetstexts aus der franziskanischen Tradition mit den Worten „Mach‘ mich zu einem Werkzeug deines Friedens“, die er vom 3. bis zum 5. Februar 2019 in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) unternahm. Dort traf er mit Ahmad al-Tayyeb (Großscheich der al-Azhar Universität in Kairo/Ägypten) zusammen, der an der Spitze des Muslim Council of Elders, einer Gruppe von einflussreichen muslimischen Gelehrten, steht. Sie hatten zu einer Global Conference for Human Fraternity nach Abu Dhabi eingeladen. Im Zuge dieses Besuchs wurde am 4. Februar 2019 das Dokument über „Die Brüderlichkeit aller Menschen für ein friedliches Zusammenleben in der Welt“ („Human fraternity for world peace and living together“) von Papst Franziskus und Großscheich Ahmad al-Tayyeb unterzeichnet. Damit erhielt der christich-islamische Dialog nicht nur einen neuen Impuls, sondern im Anschluss an das Dokument wurde sogar The Higher Committee of Human Fraternity gegründet, zu der auch der Präsident des Dikasterium für den interreligiösen Dialog (DID), Kardinal Ayuso Guixot, gehört. Aus dieser positiven Haltung heraus entwickelten sich zahlreiche Initiativen und Institutionen in katholischer Trägerschaft, die sich dem Dialog mit dem Islam widmen.
Dikasterium für den interreligiösen Dialog (DID)
An erster Stelle der Zentren, Institutionen und Initiativen, die sich um den Dialog zwischen Christen und Muslimen bemühen, ist das Dikasterium für den interreligiösen Dialog – Dicasterium pro Dialogo Inter Religiones (DID), ehemals Päpstlicher Rat für den Interreligiösen Dialog – Pontificium Consilium pro Dialogo inter Religiones (PCID), zu nennen. Es handelt sich hier um das offizielle Organ der katholischen Kirche für den Dialog mit den nichtchristlichen Religionen mit Ausnahme des Judentums. Der Dialog mit dem Judentum ist die Aufgabe des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen. Das DID wurde unter dem Namen Sekretariat für die Nichtchristen von Papst Paul VI. am 19. Mai 1964 noch während des Zweiten Vatikanischen Konzils gegründet. Angeschlossen war auch eine Kommission für die Muhammedaner.
Der Papst formulierte die Aufgaben des Rates wie folgt: „Es ist Anliegen und Aufgabe des Sekretariats, Methoden und Wege zur Eröffnung eines geeigneten Dialogs mit den Nicht-Christen zu suchen. Daher ist es besorgt, daß die Nicht-Christen von den Christen richtig kennengelernt und gerecht beurteilt werden und daß umgekehrt jene in gleicher Weise die christliche Lehre und das christliche Leben recht erkennen und beurteilen können“ (Konstitution, 1968, Nr. 99). Im Zuge der Neustrukturierung wurde das Sekretariat von Papst Johannes Paul II. am 28. Juni 1988 in Päpstlicher Rat für den Interreligiösen Dialog umbenannt. Im Zuge der jüngsten vatikanischen Kurienreform durch Papst Franziskus wurde der PCID am 19. März 2022 in Dikasterium für den interreligiösen Dialog (DID) umbenannt und erhielt eine neue Stellung. Damit gehen eine Aufwertung und Gleichstellung mit den anderen 15 Dikasterien der römischen Kurie einher.
In den Artikeln 147-152 des Dekrets „Praedicate evangelium“ (vom 19. März 2022) wird die Aufgabe des DID beschrieben: „Das Dikasterium setzt sich dafür ein, dass der Dialog mit den Anhängern anderer Religionen in angemessener Weise und in einer Haltung des Zuhörens, der Wertschätzung und des Respekts geführt wird. Es pflegt verschiedene Formen von Beziehungen zu ihnen, damit durch den Beitrag aller Frieden, Freiheit, soziale Gerechtigkeit, Schutz und Bewahrung der Schöpfung sowie die geistigen und moralischen Werte gefördert werden können“ (Art. 148). Somit bekräftigt die Kirche ihren Willen, den interreligiösen Dialog entschieden weiterzuführen, wie es Papst Franziskus in seiner Ansprache an die Vollversammlung des DID nochmals bekräftigte: „Das ist eure Aufgabe: mit anderen Gläubigen gemeinsam auf geschwisterliche, freundschaftliche Weise den Weg der Suche Gottes zu unterstützen, wobei die Gläubigen anderer Religionen nicht auf abstrakte Weise gesehen werden, sondern konkret, mit einer Geschichte, mit Wünschen, Wunden, Träumen. Nur so werden wir gemeinsam eine für alle in Frieden bewohnbare Welt aufbauen können.“ (Papst Franziskus, Ansprache am 6. Juni 2022). Er verdeutlicht, dass Ermutigung, Verständigung, Unterscheidung und Klärung im interreligiösen Kontext nur gelingen können, wenn sich mutige Personen beharrlich dafür einsetzen.
Damit ist das DID das Sprachrohr der katholischen Christenheit für die Beziehungen mit den anderen Religionen. Der interreligiöse Dialog wird nicht nur theologisch vorangetrieben, sondern bekommt auch einen festen Platz in den systemimmanenten Strukturen. Hier treffen die Dialogpartner als Repräsentanten ihrer Gemeinschaften formal aufeinander. Kardinal Michael Fitzgerald, der das DID von 2002 bis 2006 geleitet hat, bezeichnet den Dialog in einer pluralistischen Welt als „jede positive und konstruktive interreligiöse Beziehung, sei es unter Einzelnen, sei es unter Gemeinschaften anderen Glaubens mit dem Ziel eines besseren gegenseitigen Verstehens und einer gegenseitigen Bereicherung in Verpflichtung zur Wahrheit und mit Ehrfurcht vor der Freiheit des anderen“ (Fitzgerald, 1999, 15). Das DID beschäftigt sich überwiegend mit der religiösen Dimension des Dialogs, politische und soziale Belange sind in der Verantwortlichkeit anderer Räte und Kommissionen angesiedelt.
Das DID hat ca. 30 Mitarbeiter:innen und wird seit 2019 von Kardinal Miguel Ángel Ayuso Guixot, M.C.C.J. geleitet. Zu den ständigen Mitarbeitern kommt noch ein Beraterstab von ca. 50 Personen hinzu, die ihre Expertise einbringen und sich zumeist auf kontinentaler Ebene treffen. Alle zwei Jahre findet eine Vollversammlung mit allen Mitgliedern und Beratern statt, in der die Dialogaktivitäten besprochen werden. Die Unterkommission für den Dialog mit den Muslimen besteht aus einem Präsidenten, seinem Stellvertreter, einem Sekretär und acht Beratern. Zu den Aktivitäten der Kommission gehören der Empfang von religiösen Führern und die Organisation von Treffen mit dem Papst. Die Mitarbeiter des DID pflegen die Kontakte zu den muslimischen Vertretern und Institutionen, bringen sich bei der Etablierung von Dialogstrukturen ein und nehmen an Treffen mit lokalen religiösen Führern und Dialogakteuren teil. So wurde im Jahre 1970 eine Kontaktgruppe zwischen dem Vatikan und der sunnitischen al-Azhar Universität in Kairo/Ägypten („Dialog-Komitee“) ins Leben gerufen. Analog dazu finden seit 1996 alle zwei Jahre organisierte Kolloquien mit der iranischen Organisation für Islamische Kultur und Beziehungen statt, die aufgrund der Corona-Pandemie allerdings ihren Zeitplan nicht einhalten konnte. Beim Treffen vom 21. bis 23. November 2012 in Rom stand das Thema der „Kooperation zwischen Katholiken und Muslimen zur Förderung der Gerechtigkeit“ im Mittelpunkt. 2008 wurde zudem das Katholisch-muslimische Forum bestehend aus Vertretern von Muslimen und des Vatikans ins Leben gerufen, das sich an wechselnden Orten trifft.
Das DID gab von 1966 bis 1993 die mehrsprachige Zeitschrift Bulletin (84 Ausgaben) heraus, die seit 1994 unter dem neuen Titel Pro Dialogo erscheint. Zusätzlich zur Zeitschrift hat der DID zentrale Dokumente für den interreligiösen Dialog herausgegeben und prägt die kirchlichen Aktivitäten in diesem Bericht. Bespielhaft seien hier genannt „Dialog und Verkündigung“ (1991) und „Dialog in Wahrheit und Liebe“ (2014). Zuletzt erschien das Heft: „Christians and Muslims: Bearers of Hope“ im Jahr 2020. Neben den Publikationen werden jährlich anlässlich der verschiedenen religiösen Festen und Anlässen der anderen Religionsgemeinschaften und Traditionen bedenkt und gratuliert das Dikasterium mit einem Grußwort oder Grußbotschaft. Seit 1967 wird eine Botschaft zum Ramadan und ‘Id al‑Fitr der Musliminnen und Muslimen herausgegeben.
Päpstliches Institut für Arabische und Islamische Studien (PISAI)
Neben dem vatikanischen interreligiösen Dialogorgan DID besteht in Rom seit 1964 das Päpstliche Institut für Arabische und Islamische Studien – Pontificio Instituto die Studi Arabi e d’Islamistica (seit 1979 PISAI). Diese wissenschaftliche Einrichtung war 1926 in Tunis vom Orden der Afrikamissionare (auch „Weiße Väter“ genannt) gegründet worden. Das Institut unterstützt durch seine Forschungen und Kontakte zur wissenschaftlichen Welt die Arbeit des DID. Die Hauptaufgabe des PISAI besteht darin, Studierenden, Priestern und Ordensleuten, die sich besonders mit dem Islam und der Begegnung mit den Muslimen beschäftigen, eine zugleich linguistische (arabische Sprache) und islamwissenschaftliche (islamische Geschichte, Theologie, Mystik, Recht) Ausbildung zu ermöglichen. Sein Ziel ist es, die Kultur des Dialogs, der gegenseitigen Kenntnis und der Zusammenarbeit zwischen Christen und Muslimen zu fördern. Durch das intensive Studium der arabischen Sprache wird den Studierenden die Beschäftigung mit den Originalquellen erleichtert. Das Institut gibt die Zeitschriften Islamochristiana (jährlich seit 1975), Etudes Arabes (jährlich seit 1962) und Encounter (monatlich seit 1974) heraus, die sich vor allem dem Dialog zwischen Christen und Muslimen widmen.
Rat der Europäischen Bischofskonferenzen
Der Rat der Europäischen Bischofskonferenzen – Consilium Conferentiarum Episcoporum Europae (CCEE) ist ein seit 1971 bestehender Zusammenschluss der nationalen katholischen Bischofskonferenzen in Europa mit Sitz in St. Gallen/Schweiz mit derzeit 34 Mitgliedern. Die Vollversammlung der Vorsitzenden der jeweiligen nationalen Bischofskonferenzen findet einmal jährlich statt. Der Dialog mit den Muslimen bzw. dem Islam gehört zu den ausgewiesenen Schwerpunktthemen des Rates. Die Delegierten der Bischofskonferenzen Europas und die verantwortlichen Bischöfe für den Dialog mit dem Islam treffen sich ca. alle zwei Jahre zu Konsultationen. Angesichts der großen und vielfältigen Präsenz des Islam in Europa umfasst die Tätigkeit in diesem Feld ein breites Spektrum. Neben einer europäischen muslimischen Kultur in den Ländern des Balkans existieren auch verschiedene muslimische Gruppen, die durch Einwanderung nach Europa kamen.
Der CCEE definiert seine Aufgaben in Bezug auf die Begegnung mit den Muslimen wie folgt: „Um eine Reflexion über diese Präsenz des Islam in Europa und den Dialog als integralen Bestandteil des Auftrags der Weltkirche anzustoßen, organisiert der Rat der Europäischen Bischofskonferenzen ein Treffen der verantwortlichen Bischöfe und Delegierten der Bischofskonferenzen Europas für den Dialog mit den Muslimen in Europa. Hauptzweck des Treffens [ist] ein zielorientierter Erfahrungs- und Gedankenaustausch […] zwischen den in diesem Bereich Tätigen“. 1986 wurde zudem erstmals ein ökumenisches Komitee „Islam in Europa“ in Zusammenarbeit mit der Konferenz Europäischer Kirchen berufen, das 2003 in Kommission der europäischen Kirchen für die Beziehungen zu den Muslimen in Europa (CRME) umbenannt wurde, um den Willen zu unterstreichen, die direkten Beziehungen mit den in Europa lebenden Muslimen zu intensivieren. Diese Arbeitsgruppe hat seit ihrer Gründung wichtige Positionspapiere und Arbeitshilfen für den Dialog zwischen Christen und Muslimen erarbeitet und herausgegeben. Auf der Homepage von CCEE sind diese in verschiedenen Sprachen verfügbar.
Die Deutsche Bischofskonferenz – Unterkommission für den Interreligiösen Dialog (UKID)
Die Unterkommission für den Interreligiösen Dialog (UKID) der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) ist der Hauptakteur für die Beziehungen zwischen Christen bzw. Katholiken und Muslimen auf nationaler und internationaler Ebene. So wurde sie 1998 im Rahmen der Kommission X für weltkirchliche Aufgaben ins Leben gerufen. Die katholische Kirche in Deutschland misst dem interreligiösen Dialog und im Besonderen dem Dialog mit den Muslimen eine wachsende Bedeutung zu. Daher gehört es zu den Aufgaben der UKID, die Dialogkompetenz der DBK und der katholischen Kirche in Deutschland als ganzer zu stärken. Im Rahmen der DBK sind verschiedene Kommissionen und Dienststellen mit der Bearbeitung wichtiger Aspekte des interreligiösen Zusammenlebens befasst (z.B. Kommission für Migrationsfragen, Kommission für Bildung und Wissenschaft, Kommission Justitia et Pax). Die UKID gewährleistet, dass die Vorgänge und Arbeiten, die das Verhältnis von Christen und Muslimen tangieren, angemessen behandelt werden. Dazu gehört auch, dass in wichtigen Fragen Schritt für Schritt die erforderlichen Meinungsbildungsprozesse innerhalb der DBK und innerhalb des deutschen Katholizismus angestoßen werden. Eine weitere Aufgabe besteht darin, die bestehenden Dialoginitiativen zwischen Christen und Muslimen zu fördern und neue Initiativen zu stärken und zu begleiten.
Die DBK veröffentlichte 1982 ein erstes Dokument mit dem Titel „Muslime in Deutschland“. Darin werden den kirchlichen Mitarbeitern in Form einer Arbeitshilfe wichtige Informationen für die pastorale Arbeit bereitgestellt. 1993 wurde diese Arbeitshilfe neu erstellt und unter dem Titel „Christen und Muslime in Deutschland“ herausgegeben. In der letzten Fassung von 2003 hat die Arbeitshilfe deutlich an Umfang gewonnen und bietet Sachinformationen zu theologischen und gesellschaftlichen Themen sowie praktische Hinweise zu allen für den Dialog zwischen Christen und Muslimen relevanten Bereichen. Als in der gesellschaftlichen und politischen Öffentlichkeit über den Bau von Moscheen heftige Debatten ausbrachen, meldeten sich die deutschen Bischöfe 2008 mit einer Orientierungshilfe zum „Moscheebau in Deutschland“ zu Wort. Die Bischöfe bekräftigen darin die Lehre des II. Vatikanums zur Religionsfreiheit, wie sie in Dignitatis Humanae formuliert wird, und betonen: „Unzweifelhaft gehört zu dieser Sicht der Religionsfreiheit auch das Recht der Muslime auf den Bau würdiger Moscheen“ (Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz,2003, 9). In einer weiteren Arbeitshilfe aus dem Jahr 2008 werden „Leitlinien für das Gebet bei Treffen von Christen, Juden und Muslimen“ formuliert. Die UKID trägt innerhalb der DBK dazu bei, dass die notwendigen Entscheidungen in Zusammenarbeit mit den Islamreferenten, Islam- und Dialogbeauftragten der (Erz)Bistümer vorbereitet und vorangetrieben werden. Schließlich gilt es aber auch zu betonen, dass die UKID, an deren Spitze gegenwärtig Dr. Bertram Meier (Bischof von Augsburg) steht, nicht nur als Förderer, sondern auch selbst als Akteur im interreligiösen Dialog auftritt. Dazu gehört, dass die Deutsche Bischofkonferenz mit ihrer Fachstelle für Islamfragen (CIBEDO) seit 2018 zu einem jährlichen Empfang für Partnerinnen und Partner im christlich-islamischen Dialog aus Anlass des Hochfests „Verkündigung des Herrn“ einlädt. Damit wird ein theologisch fundiertes Signal für die weitere Entwicklung des Dialogs angestrebt.
Christlich-Islamische Begegnungs- und Dokumentationsstelle e.V. (CIBEDO)
„,Ich bin Deutsche und Muslima‘, ‚Ich bin Deutscher und Muslim‘ – diese beiden Sätze sind für Millionen von Menschen in unserem Land Teil ihres Selbstverständnisses und, mehr noch als das, täglich gelebte Wirklichkeit. Diese Menschen leben mit ihren Familien hier, arbeiten hier, zahlen Steuern, ziehen ihre Kinder groß, engagieren sich in Vereinen und politische Parteien, kurz und in meinen Worten: Sie gehören einfach dazu!“. So beschrieb im Jahr 2018 Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier anlässlich des 40-jährigen Bestehens von CIBEDO die Situation von Menschen, die seit mehreren Generationen in Deutschland leben und hier Wurzeln geschlagen haben. „[…] Und hier kommt CIBEDO ins Spiel“, fuhr er fort. Die Christlich-Islamische Begegnungs- und Dokumentationsstelle e.V. (CIBEDO) wurde 1978 in Köln als Initiative der Afrikamissionare gegründet und arbeitete bis 1997 im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz als eingetragener gemeinnütziger Verein für den christlich-islamischen Dialog. 1998 wurde die Fachstelle nach Frankfurt transferiert und ist heute auf dem Campus der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main beheimatet. In der Satzung werden die Aufgaben von CIBEDO wie folgt beschrieben: „Der Verein hat die Aufgabe, den Dialog zwischen Christentum und Islam sowie das Zusammenleben von Christen und Muslimen zu fördern. Er nimmt diese Aufgabe insbesondere durch folgende Maßnahmen wahr:
- Sammlung, Auswertung und Bereitstellung von Informationsmaterial über den Islam im Allgemeinen, insbesondere in Deutschland, sowie über das Zusammenleben von Christen und Muslimen;
- Wissenschaftliche und pastorale Beratung sowie Erstellung von Gutachten;
- Durchführung von Fachtagungen und Informationsveranstaltungen, auch in Zusammenarbeit mit anderen Trägern, zu islamwissenschaftlichen und theologischen Fragen im Verhältnis zwischen Christentum und Islam;
- Veröffentlichung von Arbeitshilfen, Studien und Zeitschriften.“
CIBEDO verfügt über eine umfangreiche Spezialbibliothek mit über 12.000 Büchern und Zeitschriften, in welcher neben einer wachsenden Zahl von Büchern zum Islam und zum christlich-islamischen Dialog auch eine große Anzahl von Texten und Medien, insbesondere offizielle Dokumente von katholischer Seite, zu diesen Themenbereichen dokumentiert und archiviert werden. Die Bibliothek wird unter anderem von Studierenden sowie Dozentinnen und Dozenten und den wissenschaftlichen Mitarbeitern der Einrichtung benutzt, die als Referentinnen und Referenten und beratende Mitglieder in verschiedenen Arbeitsgruppen zum christlich-islamischen Dialog ständig auf aktuelles Datenmaterial zugreifen müssen, wie auch von den Islamreferenten und Islambeauftragten der katholischen (Erz-)Diözesen. Die Bestände der Bibliothek sind über den hebis-Verbund über die eigene Homepage allen Interessierten zugänglich.
Zu den Aufgaben von CIBEDO gehört es auch, den Dialog zwischen Christen und Muslimen zu fördern und aktuelle Themen zu beleuchten. Dies geschieht beispielsweise durch Vorträge, die Teilnahme an Konferenzen oder die Mitarbeit in kirchlichen und zahlreichen interreligiösen Gremien. Mit dem eigenen „Marokkanischen Königszelt“ beteiligt sich CIBEDO beispielsweise auch an der interreligiösen Programmgestaltung der Katholikentage und schafft Begegnungsräume. Durch die aktive Mitwirkung im Runden Tisch der Religionen in Deutschland wird der jährlich stattfindende Tag der Religionen in einer deutschen Stadt ausgerichtet. Ebenfalls wird beim Abrahamischen Forum Deutschland mitgewirkt. In Zusammenarbeit mit Hochschulen bietet CIBEDO Studierenden oder Gasthörerinnen und -hörern an, die Thematik des Islam als Religions- und Lebensordnung kennenzulernen. Ein Beispiel hierfür ist das Studienprogramm „Islam und christlich-muslimische Begegnung“ an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen. Die Module des Studienprogramms können auch digital absolviert werden.
Des Weiteren führt CIBEDO Fortbildungen für pädagogische und erzieherische Berufsgruppen zu verschiedenen Themen, die das Zusammenleben von Christen und Muslimen betreffen, in Kindergarten, Schule oder am Arbeitsplatz durch. Der steigende Anteil an Musliminnen und Muslimen in der Gesellschaft beeinflusst das tägliche Miteinander und bedingt ein steigendes Interesse an wissenschaftlich sachgemäßen Informationen zum Islam und zum interreligiösen Dialog. Neben Praxishilfen, zum Beispiel Kirchenführern für Musliminnen und Muslime, werden mit der einmal im Quartal erscheinenden Zeitschrift CIBEDO-Beiträge zum Gespräch zwischen Christen und Muslimen und der CIBEDO-Schriftenreihe in Buchform zwei wissenschaftliche Reihen publiziert. Die Tagung „CIBEDO-Werkstatt: Theologie im Angesicht des Islam“, die in Kooperation mit der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt/Main jährlich organisiert wird, bringt europaweit katholische Dialogakteurinnen und -akteure zu einer Fachtagung zusammen. Dadurch wird eine Selbstvergewisserung, aber auch Orientierung für die Dialoghaltung vorangetrieben.
Islamreferenten, Islam- und Dialogbeauftragte der katholischen Diözesen in Deutschland
In Deutschland gibt es 27 katholische (Erz-)Diözesen, von denen etliche Abteilungen oder spezielle Referentenstellen für den interreligiösen bzw. christlich-islamischen Dialog eingerichtet haben. Daneben gibt es aber auch Diözesen, in denen keine speziellen Stellen für diesen Bereich existieren, dieser Themenkomplex jedoch im Rahmen anderer Aufgaben mit abgedeckt wird. Generell kann man feststellen, dass in Regionen und Ballungszentren mit hohem Anteil an muslimischer Bevölkerung deutlich mehr Dialogstellen vorhanden sind als in den ländlich geprägten Bistümern oder in den neuen Bundesländern.
Als Beispiel für diözesane Dialogstrukturen kann das Erzbistum Köln angeführt werden: Das Referat für Dialog und Verkündigung im Erzbistum Köln hat sechs Referenten, davon vier für Fragen des interreligiösen Dialogs. Diese hohe Zahl erklärt sich durch die Tatsache, dass Köln einen hohen Anteil muslimischer Bevölkerung aufweist und die größten islamischen Verbände ihren Hauptsitz dort haben. In anderen (Erz-)Diözesen gibt es je nach Zusammensetzung eigene Kommissionen für den interreligiösen Dialog (z.B. im Erzbistum Berlin) oder eine „Diözesane Koordinierungsgruppe Islam“ (z.B. im Bistum Limburg), die alle von hauptamtlichen Fachreferenten und -referentinnen betriebenen bzw. moderierten und angestoßenen Dialoginitiativen mit dem Islam zusammenfasst. In diesem Zusammenhang muss betont werden, dass die christlich-muslimische Dialogarbeit der einzelnen (Erz-)Bistümer durch die Islamreferenten und Dialogbeauftragten vor Ort initiiert, entwickelt, koordiniert und vorangetrieben wird. Sie sind die ersten Ansprechpartner für katholische Gemeinden, Priester und pastorale Mitarbeiter, aber auch für muslimische Gemeinden und Organisationen. Damit sind sie der treibende Motor für den Dialog und unterstützen diesen durch Fortbildungen, Seminare, haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter, besonders aber auch als Multiplikatoren der katholischen Sicht im Hinblick auf andere Religionen bzw. den Islam und die Muslime.
Akademischer, praktischer und geistlicher Dialog
Der Sendungsauftrag des christlichen Glaubens hat viele Frauen und Männer, die in Orden, Kongregationen, Stiftungen und anderen Einrichtungen ihr Leben in einer besonderen Form in den Dienst des Glaubens stellen, dazu bewegt, in alle Länder dieser Erde zu gehen, um dort Schulen und Krankenstationen zu gründen, soziale Strukturen aufzubauen und Entwicklungsarbeit für die Menschen vor Ort zu leisten. Dabei trafen sie oft nicht nur auf eine fremde Kultur, sondern auch auf fremde Religionen. Heute kann man feststellen, dass alle Orden und Kongregationen der katholischen Kirche, die in muslimisch geprägten Ländern oder in Ländern mit muslimischer Bevölkerung tätig sind, auch in interreligiösen Beziehungen stehen. Exemplarisch seien hier u.a. die Franziskanerinnen und Franziskaner, die Dominikanerinnen und Dominikaner, die Jesuiten, die Afrikamissionare/die Weißen Schwestern und Weißen Väter, die Kleinen Schwestern und die Kleinen Brüder (Charles de Foucauld) genannt.
Die international und interreligiös gesammelten Erfahrungen haben sowohl im universitären Bereich als auch in der Landschaft der katholischen Akademien eine Vertiefung bzw. Widerhall gefunden. Dadurch haben kirchlich getragene Institutionen wie die Philosophisch-Theologische Hochschule Sankt Georgen (in Trägerschaft des Jesuitenordens) in Frankfurt/M. eigene Bereiche (z.B. Stiftungslehrstuhl „Katholische Theologie im Angesicht des Islam“) eingerichtet. An verschiedenen Standorten der katholisch-theologischen Fakultäten in staatlicher Trägerschaft (z.B. Augsburg, Berlin, Frankfurt, Münster, Paderborn, Tübingen) gehören der interreligiöse Dialog und seine Themen zu den Lehrinhalten. In Trier wurde 2020 ein „Lehrstuhl für Abrahamitische Religionen mit Schwerpunkt Islam und interreligiöser Dialog“ eingerichtet, der erste und bislang einzige seiner Ausrichtung an einer theologischen Fakultät im deutschen Sprachraum.
Die katholischen Akademien versuchen mit ihren Programmen die in Deutschland zunehmend wahrnehmbare Vielfalt an religiösen Traditionen für den gesellschaftlichen und theologischen Kontext zu reflektieren (▸Auf dem Weg zur Lernpartnerschaft – christlich-islamischer Dialog in der Erwachsenenbildung und in Akademien). In diesem Sinne möchte der Fachbereich interreligiöser Dialog an der katholischen Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart die Aufgabe und die „aktuellen Anfragen und Bedarfen gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern weiterer Religionen begegnen. Den Schwerpunkt bilden dabei die christlich-islamischen Beziehungen. Angezielt ist, den Islam als ständigen Bezugspunkt christlicher Theologie zu etablieren. Themen- und projektbezogen werden weitere Religionen mit einbezogen, zuletzt etwa in Fragen der Umweltethik, der Friedensethik oder sozialethischer Implikationen der Mystik.“ Daneben hat diese Akademie auch den Fachbereich „Muslime in Deutschland. Gesellschaft gemeinsam gestalten“ eingerichtet, um „das facettenreiche muslimische Leben in Deutschland weiter zu erforschen, Ergebnisse zu publizieren und in verschiedenen Veranstaltungsformen zur Diskussion zu stellen, sowie in Fortbildungen und Beratungen Kompetenzen an entsprechende Zielgruppen weiterzugeben und damit Multiplikatoren auszubilden“.
Darüber hinaus gibt es auch den monastischen interreligiösen Dialog. Der vom Benediktinerorden initiierte Zusammenschluss Dialogue Interreligieux Monastique/Monastic Interreligious Dialogue (DIMMID) möchte den monastischen Dialog mit den Vertretern anderer Religionen und insbesondere mit den Muslimen voranbringen. Die eingerichtete DIMMID-Homepage dokumentiert die Dialogaktivitäten und hält Informationen über die weiteren Initiativen bereit. Eine detaillierte Darstellung all dieser Initiativen würde den Rahmen dieser Übersicht sprengen, daher soll hier exemplarisch auf zwei Bewegungen hingewiesen werden, die vor allem im Bereich des geistlichen Dialogs tätig sind und intensive Basisarbeit leisten: die Gemeinschaft Sant’Egidio und die Bewegung der Fokolare.
Die Gemeinschaft Sant’Egidio
Als Papst Johannes Paul II. hohe Geistliche der verschiedenen Religionen 1986 nach Assisi einlud, um für die Versöhnung und den Frieden unter den Völkern zu beten, öffnete dieses Ereignis neue Möglichkeiten für den Dialog zwischen Christen und Muslimen. In der italienischen Provinzstadt Assisi standen Vertreter der Religionen andächtig nebeneinander vor Gott und trugen ihm ihre Bitten gemäß ihrer jeweiligen religiösen Sprachen und Riten vor. Dieses bis dahin einmalige Ereignis wiederholte sich in den folgenden Jahren und fand viele Nachahmer.
Assisi wurde ausgewählt als Stadt des Hl. Franziskus und unter Bezugnahme auf dessen erste Versuche, eine Art Dialog zwischen Christen und Muslimen in Damiette in Ägypten zu initiieren. Mitten in den Zeiten der Kreuzzüge war dieser Ansatz innovativ und sollte als Alternative zum „Kampf der Religionen und Kulturen“ dienen. Die Gemeinschaft Sant’Egidio sah das Treffen in Assisi als sehr bedeutend an und begann deshalb, jährliche „Internationale Begegnungen von Menschen und Religionen“ im „Geist von Assisi“ zu organisieren: keine Vermischung der Religionen, sondern eine neben der anderen, aber im Geist der Freundschaft, des Dialogs und des Gebets. In Deutschland fanden Treffen 2003 in Aachen, 2011 in München und 2018 in Münster statt. Die Treffen werden immer in Zusammenarbeit mit einer Diözese oder den Religionsgemeinschaften vor Ort organisiert. In den vergangenen Jahren wurden Vertreter aus Politik, Kultur und Gesellschaft sowie Nichtgläubige in den Dialog einbezogen.
Das 25. Folgetreffen von Assisi 2012 in Sarajewo, das die Gemeinschaft Sant’Egidio mit der Erzdiözese Vrhbosna-Sarajewo, der serbisch-orthodoxen Kirche, der islamischen Gemeinde Bosnien und der jüdischen Gemeinde in Bosnien organisierte, war im Hinblick auf den Dialog mit den Muslimen von besonderer Bedeutung. Es war das erste große interreligiöse Treffen nach dem Bosnienkrieg und der Belagerung von Sarajewo. Die Gemeinschaft Sant’Egidio ist von der Notwendigkeit überzeugt, den Geist von Assisi an allen Orten der Welt zu verbreiten. In diesem Sinne ist auch die Konferenz mit dem Titel „Islam und der Westen – eine neue Zukunftsvision“, die am 26. November 2012 an der al-Azhar Universität in Kairo stattgefunden hat, zu bewerten. Angesicht des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine anfangs des Jahres 2022 wird die Bedeutung des Friedens und die von Sant’Egidio organisierten Friedenstreffens noch deutlicher. Unter dem Motto „der Schrei nach Frieden“ fand im Oktober 2022 das 36. Folgetreffen von Assisi in Rom statt.
Die Gemeinschaft wurde 1968 von Andrea Riccardi und seinen Freunden in Rom als Laienbewegung von Studenten und Schülern gegründet und ist nach ihrem Hauptsitz, dem ehemaligen Kloster Sant’Egidio im römischen Stadtteil Trastevere, benannt. Im Leben der Gemeinschaft nehmen die Auseinandersetzung mit der Bibel, das Hören auf das Wort Gottes, das Gebet, die Weitergabe des Evangeliums, die Freundschaft mit den Armen, die Ökumene, der interreligiöse Dialog und der Einsatz für Frieden und Menschenrechte einen zentralen Platz ein. Neben dem sozialen Einsatz für die Armen und Schwachen bewegt sich die Gemeinschaft auch auf dem politischen Parkett. Dadurch möchte sie einen Beitrag zum friedlichen Zusammenleben, zum Dialog und zur Gastfreundschaft unter den Menschen sowie zu einer toleranten und offenen Gesellschaft leisten. Daher war die Gemeinschaft auch als Moderatorin bzw. Beobachterin an zahlreichen erfolgreichen Friedensverhandlungen beteiligt, etwa für Guatemala, Kosovo, die Elfenbeinküste und den Südsudan. 1992 hat die Gemeinschaft ihren bedeutendsten diplomatischen Erfolg bei der Vermittlung des Friedensvertrags für Mosambik erzielt. Durch das Allgemeine Friedensabkommen von Rom wurde ein sechzehnjähriger Bürgerkrieg beendet. Die internationale Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen und weiteren Staaten hatte den erwünschten Frieden gebracht. Seit 2015 engagiert sich die Gemeinschaft auch im Südsudan, nimmt am National Prayer For Repentance & Forgiveness teil und führt Gespräche mit verschiedenen Regierungsvertretern, Angehörigen der Zivilgesellschaft, des National Dialogue, des Ältestenrates und der Opposition, um den Dialog zwischen den verschiedenen Parteien und den Frieden im Land zu fördern.
Die Gemeinschaft pflegt Kontakte zu den Muslimen in Deutschland, vor allem durch ihr Engagement für bedürftige Familien in den Schulen des Friedens, wo viele muslimische Kinder und Jugendliche betreut werden. Genannt sei auch die Schule „Louis-Massignon“ für Ausländer und Flüchtlinge, in der unentgeltlich Deutschkurse und Hilfen zur Integration angeboten werden. In diesem Zusammenhang hat die Gemeinschaft die internationale Bewegung „Menschen des Friedens“ gegründet, in der Menschen aller Länder für Integration und ein friedliches Zusammenleben der Kulturen und Religionen eintreten. So werden religiöse Feste gemeinsam begangen, um einander kennenzulernen und die Freundschaft zu fördern. Die Gemeinschaft hat beispielsweise anlässlich des islamischen Opferfestes 2012 eine Feier in einer Flüchtlingsunterkunft in Würzburg organisiert, an der über 200 Personen aus Afghanistan, Somalia, dem Irak und anderen Ländern teilgenommen haben. Das Fest ist ein gutes Zeichen der Solidarität zwischen Menschen über die religiösen Grenzen hinaus und unterstreicht die Bedeutung der geleisteten Arbeit der Gemeinschaft unter Flüchtlingen und Migranten.
Die Fokolar-Bewegung
Die Fokolar-Bewegung wurde 1943 von Chiara Lubich (1920-2008) in Trient gegründet. Chiara Lubich war durch die Erlebnisse des Zweiten Weltkriegs sehr geprägt und hatte ein starkes christliches und gesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein, das sie dazu bewegte, die mittlerweile in über 180 Ländern verbreitete Gemeinschaft zu gründen. Die interreligiösen Aktivitäten der Gemeinschaft gehen u.a. auch auf die Erfahrung einer immer mehr multiethnisch und multireligiös geprägten Gesellschaft zurück. Bei der Verleihung des Templeton-Preises für den „Fortschritt der Religion“ 1977 an die Gründerin erzählte diese von ihren Erfahrungen und der Möglichkeit, dass die Spiritualität der Einheit auch von Anhängern anderer Religionen gelebt werden könne. Das Datum markiert für die Gemeinschaft den offiziellen Beginn des interreligiösen Dialogs. In den folgenden Jahren haben sich Menschen aus verschiedenen religiösen Traditionen der Bewegung angeschlossen und zahlreiche bedeutsame Aktivitäten, beispielsweise in Algerien und den USA, entfaltet.
Die katholische Palästinenserin Margaret Karram aus Haifa (Israel) wurde 2021 von der Generalversammlung zur dritten Präsidentin gewählt. Sie folgte auf die Italienerin Maria Voce, die nach zwölf Jahren an der Spitze der Bewegung turnusgemäß aus dem Amt schied. Margaret Karram weist durch ihren biographischen Werdegang, ihr Studium und Beruf eine enge Verbindung zum interreligiösen Dialog vor, vor allem zum Judentum und Islam.
Die Fokolar-Bewegung engagiert sich auch in Deutschland auf verschiedene Weise für die Verständigung zwischen Christen und Muslimen. Beim Katholikentag 2012 in Mannheim haben Mitglieder der Bewegung zusammen mit befreundeten Muslimen einen Raum der Stille und des Gebets mit verschiedenen spirituellen Angeboten gestaltet. Seit 2010 setzt sich eine Gruppe bestehend aus katholischen und muslimischen Theologen (Weinheimer Kreis) mit Gemeinsamkeiten und Unterschieden der beiden Religionen auseinander. Der Gründung des Weinheimer Kreises ging eine Reihe von Veranstaltungen zwischen 2004 und 2008 zu verschiedenen Themen wie „Leben aus dem Wort Gottes in Bibel und Koran“ und „Christen und Muslime – Verantwortung für die Gesellschaft“ voraus. Die Veranstaltungen wurden in Speyer von Christen und Muslimen gemeinsam vorbereitet und durchgeführt. Die Begegnungen zwischen Christen und Muslimen innerhalb der Fokolar-Bewegung zeigen, wie eine Spiritualität über die Religionsgrenzen hinweg gelebt werden kann, ohne dabei die eigene religiöse Identität aufzugeben. Es ist daher beachtlich, dass ca. 90 Prozent der Anhängerinnen und Anhänger der Bewegung in Algerien Musliminnen und Muslime sind. Die lebendige Suche nach Gott wird im Erfahrungsaustausch spürbar und schafft ein neues Miteinander.
Mit dem „Klaus Hemmerle Preis“, der anlässlich des zehnten Todestags gestiftet und nach dem früheren Aachener katholischen Bischof benannt ist, werden seit 2004 alle zwei Jahre Personen geehrt, die sich im Sinne des Aachener Bischofs als Brückenbauer für den Dialog zwischen Kirchen, Religionen und Weltanschauungen engagieren.
Außerdem unterhält die Bewegung für die Schulung und Stärkung der interreligiösen Kompetenz der Bewegungsmitglieder eine „Schule für den interreligiösen Dialog“ in der Zitadelle von Tagaytay (Manila/Philippinen). In Deutschland finden regelmäßige Treffen zu verschiedenen Themen und Anlässen des christlich-islamischen Dialogs u.a im Begegnungszentrum Ottmaring (Friedberg/Augsburg), Regensburg etc. statt.
Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) – Gesprächskreis Christen und Muslime
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) als der Zusammenschluss von Vertretern der Diözesanräte und der katholischen Verbände sowie von Institutionen des Laienapostolates und weiteren Persönlichkeiten aus Kirche und Gesellschaft ist von der Deutschen Bischofskonferenz anerkannt als Organ, das die Kräfte des Laienapostolats entsprechend dem Dekret des Zweiten Vatikanischen Konzils über das Apostolat der Laien (Nr. 26) fördern soll. Das Generalsekretariat hat seinen Sitz in Berlin. Seit 2000 existiert analog zum seit 1971 bestehenden Gesprächskreis „Juden und Christen“ beim ZdK ein weiterer Gesprächskreis „Christen und Muslime“. Für die gut ein Dutzend vom Präsidium des ZdK berufenen katholischen, muslimischen und evangelischen Mitglieder wurde folgende Aufgabenbeschreibung festgelegt: „Der Gesprächskreis versteht sich nicht zuvorderst als Plattform für die Diskussion theologischer Fragestellungen, wenngleich die Vergewisserung der jeweiligen theologischen Positionen für die Arbeit im Gesprächskreis grundlegend ist. Der Gesprächskreis sieht seine Aufgabe vielmehr im Dialog zwischen Christen und Muslimen und in der Erarbeitung gemeinsamer Stellungnahmen zu konkreten gesellschaftspolitischen Feldern und praktischen Fragen des alltäglichen Zusammenlebens von Christen und Muslimen. Herausarbeiten möchte der Gesprächskreis insbesondere gemeinsame Interessen und Verantwortung von Christen und Muslimen in unserer Gesellschaft“.
Der Gesprächskreis dient nicht nur zur Diskussion aktueller öffentlichkeitswirksamer Fragestellungen, sondern er erarbeitete bisher auch vier Erklärungen zu den Themen „Islamischer Religionsunterricht als Chance für Integration und Dialog“ (2008), „Christen und Muslime. Partner in der pluralistischen Gesellschaft – Eine gemeinsame Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Fragen“ (2012), „Keine Gewalt im Namen Gottes! Christen und Muslime als Anwälte für den Frieden“ (2016) und „Nein zu Hass und Hetze – Christen und Muslime gemeinsam gegen Islamfeindlichkeit“ (2020), als Plädoyer für ein stärkeres gemeinsames gesellschaftspolitisches Handeln von Christen und Muslimen.
Das ZdK organisiert in Kooperation mit einer katholischen Diözese alle zwei Jahre den Katholikentag. Seit den 1980er Jahren ist dabei stets das Thema christlich-islamischer Dialog präsent, mit einer zunehmenden Bedeutung. Zu Beginn wurden Muslime als Sondergruppe im Themenbereich „Ausländer in Deutschland“ wahrgenommen. Auf dem 91. Katholikentag 1992 in Karlsruhe wurde dem Dialog mit den Muslimen erstmals eine Veranstaltungsreihe gewidmet. Seit dem 93. Katholikentag 1998 in Mainz hat der christlich-islamische Dialog ein eigenes Zentrum, in dem an drei Programmtagen Veranstaltungen durchgeführt werden. Beim Katholikentag in Mannheim 2012 wurden den Besuchern über 35 christlich-muslimische Veranstaltungen angeboten, die auch gemeinsam geplant und durchgeführt wurden, darunter interreligiöse Moschee- und Kirchenführungen, Gespräche, Podien, Werkstätten und kulturelle Events. Die Weiterentwicklung und Öffnung der christlich-muslimischen Dialogarbeit auf Katholikentagen, aber auch auf den ökumenischen Kirchentagen, ist auch den intensiven Anstrengungen des ZdK-Gesprächskreises Christen und Muslime zu verdanken. Zu dieser Öffnung gehört auch der erstmalig während des 102. Katholikentags stattgefundene Empfang für den christlich-islamischen Dialog am 28. Mai 2022 in Stuttgart. Die Verleihung des „Pax-Bank-Preises für hervorragende Arbeiten auf dem Gebiet des interkulturellen Dialogs zwischen Christentum und Islam“ im Jahre 2006 an das ZdK und den Deutschen Evangelischen Kirchentag (DEKT) für ihr Engagement zum christlich-muslimischen Dialog bei Katholikentagen und Evangelischen Kirchentagen ist eine Bestätigung der geleisteten Arbeit und eine Ermutigung, diese in der Zukunft weiterzuführen (vgl. Georges-Anawati-Stiftung, 2006).
Caritas International
„Die Solidarität mit Fremden und die Begegnung mit anderen Kulturen sind Kernbestandteile der christlichen Identität. Der biblische Auftrag, allen Fremden Schutz, Gastrechte und Solidarität zu gewähren, ist für die Caritas eine Verpflichtung.“ Mit diesen Worten und getreu diesem Grundsatz verrichten Caritas International und Caritas Deutschland ihre Arbeit seit über 100 Jahren. Der Schwerpunkt der Arbeit von Caritas International liegt im Bereich der aktiven Hilfe z.B. bei Katastrophen und zur Abmilderung von Folgen gewaltsamer Konflikte. Die Organisation fördert jedoch vereinzelt auch Projekte zum interreligiösen Dialog insbesondere in der Friedensarbeit, um eine Verständigung zwischen den Kulturen und Religionen zu ermöglichen. So heißt es in einer Projektbeschreibung beispielsweise: „Das friedliche Zusammenleben der Muslime und Christen im Niger, das direkt an die Grenze Nigerias anschließt, ist in dieser insgesamt angespannten Situation keine Selbstverständlichkeit – Frieden und Dialog müssen aktiv gepflegt werden. Da der interreligiöse Austausch im Niger weniger institutionalisiert ist, legt der Partner [vor Ort] von Caritas International hier besonderen Wert auf den interreligiösen Austausch. Um das Zusammenleben der Religionsgemeinschaften zu verbessern, fördert Caritas International den Dialog in diesem Land.“ Entsprechend erklärt der Erzbischof Michel Cartatéguy, der einen Sitz im Komitee „Weise Häupter der Religion“ innehat, dass gemeinsam und nur in enger Abstimmung mit den Imamen der muslimischen Mehrheit nach Wegen gesucht wird, das Zusammenleben der Religionsgemeinschaften zu verbessern. Daher bemüht sich die Organisation auch, durch die Einrichtung eines Interreligiösen Rates in Nigeria (Nigeria Interreligious Council [NIREC]) zur Deeskalation beizutragen. Ein Interreligiöses Friedensforum bestehend aus Vertretern der jeweiligen Dachorganisationen der beiden Konfessionen – der Oberste Rat für Islamische Angelegenheiten in Nigeria (NSCIA) sowie die Christliche Vereinigung in Nigeria (CAN) – sollen miteinander über Dialog und Friedensförderung sprechen. So wird eine Stabilisierung der religiösen Beziehungen in beiden Ländern angestrebt.
Caritas Deutschland e.V.
Caritas Deutschland unterhält ein Referat für Migration und Integration, das die Arbeit auf diesem Gebiet koordiniert und die praktische Tätigkeit vor Ort begleitet. Zu den Aufgabenbereichen gehören unter anderem auch Dialogarbeit und Initiativen gegen Ausgrenzung und Diskriminierung. Es gibt zwar keine Abteilung, die sich speziell mit Muslimen oder christlich-islamischem Dialog beschäftigt, aber die praktische Arbeit zur Integration und zur Abmilderung von Migrationsfolgen berührt dieses Themenspektrum. Der Deutsche Caritasverband versteht sich als Anwalt und Solidaritätsstifter und stellt sich gegen jegliche Form von Diskriminierung und Benachteiligung. So ist jeder Mensch in seiner Würde zu achten und zu schützen. Gleichzeitig bejaht der Deutsche Caritasverband „die kulturelle, ethnische, soziale, religiöse und politische Vielfalt in Deutschland und fordert ihre Anerkennung als unumkehrbare gesellschaftliche Realität sowie einen konstruktiven Umgang mit dieser Vielfalt“ (Deutscher Caritasverband, 2008, 12). Daher macht sich der Verband stark für Multireligiöse Teams in Kindertagesstätten, damit die Kinder nicht nur eine Religion kennenlernen, sondern dass sie auch mit anderen Religionen vertraut gemacht werden und erfahren, wie man trotz religiöser Vielfalt gut miteinander leben kann. Außerdem wird der Aufbau von islamischer Seelsorge unterstützt, so ist der Caritasverband für das Erzbistum Berlin z.B. seit über zehn Jahren Kooperationspartner des Muslimischen Seelsorge Telefons (MuTeS). In diesem Sinne leistet der Deutsche Caritasverband auf mit seinen Diözesan- und Ortsverbänden eine aktive Hilfe zur Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts, vor allem für die, die eine Benachteiligung erfahren, ohne Rücksicht auf Herkunft und Religion.
Die Päpstlichen Missionswerke (missio)
Die Päpstlichen Missionswerke (missio), deren Gründung bis auf das Jahr 1812 zurückgeht, verstehen sich als ein Netzwerk missionarischer Spiritualität, das in der christlichen Gottes- und Gebetserfahrung verankert ist, aus dieser Erfahrung heraus die Welt mitgestaltet und dabei offen bleibt für fruchtbare Begegnungen mit anderen Religionen und Kulturen. Als päpstliches Hilfswerk agiert missio getreu der drei Wörter „glauben.leben.geben“, die das Selbstverständnis von missio ausdrücken und beschreiben: „Aus dem christlichen Glauben heraus wollen wir aktiv dazu beitragen, Menschen ein würdiges Leben und eine nachhaltige Zukunft zu geben. Wir sind Teil der weltweiten Kirche, die sich als Lern-, Gebets- und Solidargemeinschaft versteht und sich für Gerechtigkeit, Frieden und Solidarität einsetzt – auch im Dialog mit anderen Religionen“.
Die Arbeit von missio und die geförderten Projekte stehen im Einklang mit der Vision einer weltkirchlichen Lerngemeinschaft, indem sie zur Gestaltwerdung der einen Kirche in den verschiedenen geographischen, soziokulturellen und religiösen Lebensräumen einflechten. Die Projekte sind kulturell verwurzelt, berücksichtigen die Komplexität und Verschiedenheit weiblicher und männlicher Lebenszusammenhänge und sollen zu einem guten Zusammenleben von Christen und Menschen anderen Glaubens beitragen. Die Initiativen fördern u. a. den Dialog der Religionen und Weltanschauungen und bewirken eine Sensibilisierung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung.
Die Projektförderung von missio und die dadurch angestrebte Hilfestellung für ein friedliches Zusammenleben verschiedener Religionen geschehen je nach Lage unter teilweise extrem schwierigen Bedingungen. 2009 richtete missio unter dem Leitwort „Selig, die Frieden stiften“ im „Monat der Weltmission“ den Fokus auf die Friedens- und Versöhnungsarbeit in Afrika. Diese Aktion sollte Frieden und Versöhnung stiften und im Kontext Afrika besonders die Zusammenarbeit mit den traditionellen Religionen und dem Islam fördern. Ein besonderes Beispiel für Dialogbereitschaft in Nigeria gaben der katholische Erzbischof von Jos, Ignatius Kaigama, und Alhaji Haruna Abdullahi, der 13. Emir von Wase. Als es in diesem Land zu Gewalt zwischen Christen und Muslimen kam, wehrten sich beide Religionsführer gegen den Missbrauch der Religion und riefen zum Frieden auf.
Dass die Anstrengungen für einen dauerhaften und stabilen Dialog unter Angehörigen verschiedener Religionen sehr viel Geduld erfordern, zeigt beispielsweise die Situation in der zweitgrößten nigerianischen Diözese Maiduguri. Die Grenzen dieser Kirchenprovinz erstrecken sich auch über die Scharia-Staaten Borno und Yobe, in denen eine äußerst angespannte Situation zwischen Christen und Muslimen herrscht und beide Gruppen einander misstrauen. Die andauernde Präsenz von Gewalt und Unrecht führt zur Traumatisierung der Menschen und verhindert den Aufbau einer wirklich demokratischen Gesellschaft. Die kirchliche Arbeit ist daher seit Jahren bemüht, ein Bewusstsein für das bestehende Unrecht zu schaffen. Gleichzeitig engagiert sich die katholische Kirche für ein friedliches Zusammenleben von Christen und Muslimen. Mit einem umfangreichen Bildungsprogramm für verschiedene Gruppen möchte die Kirche den Menschen Fähigkeiten vermitteln, damit sie gegen das Unrecht vorgehen können. Zudem soll das friedliche Miteinander der Religionen und Volksgruppen gefördert werden. Teil des Programms sind Fortbildungen in sozialer Kommunikation, Führungskräfteschulung und die Unterstützung der Dialogkommission. Im Rahmen des Monats der Weltmission im Jahre 2021 wurde der interreligiöse Dialog (vor allem zwischen Christentum und Islam) als Schwerpunkt ausgewählt und dazu am 24. Oktober eine zweitätige Digitalkonferenz mit Expertinnen und Experten aus Kirche, Politik, Wissenschaft in Podiumsdiskussionen und Workshops ausgerichtet. Dabei wurde der Frage nachgegangen, welche Herausforderungen und Möglichkeiten die Religionen in den Konflikten weltweit haben.
Weitere Beispiele für Unterstützung von missio für die Förderung des Friedens zwischen Christen und Muslimen sind Projekte im Senegal, wo eine weitgehend friedliche Koexistenz der beiden Religionen existiert, oder auf den Philippinen. missio widmet sich aus dem christlichen Glauben heraus den Bedürfnissen der Menschen, damit sie ihr Leben in würdiger Weise führen können, und gibt ihnen die fehlenden finanziellen Mittel, um sich die nötige Kompetenz für ein friedliches Miteinander anzueignen.
Renovabis
Das katholische Hilfswerk Renovabis leitet seinen Namen aus dem Psalm 104,30 ab, wo es heißt: renovabis faciem terrae (Du wirst das Antlitz der Erde erneuern). „Zweck des Vereins ist die Förderung der kirchlichen Aufgaben in Mittel- und Osteuropa und des gesellschaftlichen Aufbaus in diesen Regionen, der allen Einwohnern zugutekommen soll, sowie die Unterstützung hilfsbedürftiger Menschen, ungeachtet ihrer Nationalität und Religionszugehörigkeit“. Entsprechend dieser Selbstbeschreibung hilft Renovabis seit der Gründung im Jahre 1993 Menschen in über 29 Staaten Mittel-, Ost- und Südosteuropas. Vor allem ist im Hinblick auf den Islam die unter dem Stichwort „Versöhnung“ geleistete Unterstützung für ein friedliches Zusammenleben von Christen und Muslimen in Bosnien und Herzegowina zu erwähnen. Beispielsweise können in Bihac’ im äußersten Nordwesten des Vielvölkerstaats aufgrund mangelnder staatlicher Unterstützung nur wenige Schulen ein Bildungsprogramm anbieten, von dem aber wiederum nur wenige profitieren können. Durch die Hilfe von Renovabis konnten dort eine Grundschule und ein Gymnasium eröffnet werden. In dieser „Schule für Europa“ werden katholische und muslimische Kinder und Jugendliche gemeinsam unterrichtet.
Renovabis beschäftigt sich seit seiner Gründung sowohl in der Projekt als auch in der Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit intensiv mit dem Thema „Versöhnung“. In den Transformationsländern im Osten Europas trifft man bis heute an zahlreichen Orten auf die Spuren unversöhnter Vergangenheit, die zum Teil immer noch ein hohes Konfliktpotential in sich tragen. Um einer friedlichen Zukunft willen gilt es daher, wo immer dies möglich ist, die leidvolle Vergangenheit aufzuarbeiten. Denn nur aus der Erinnerung und Aufarbeitung der dunklen Seiten der europäischen Geschichte in Ost und West können Verständigung und Versöhnung erwachsen. Seit 2009 beschäftigt sich bei Renovabis eine eigene „Arbeitsgruppe Versöhnung“ mit der Frage, wie sie zur Überwindung von Unrechts-, Diskriminierungs- und Konfliktgeschehen in den Partnerländern beitragen kann.
Im Jahr 2009 produzierte Renovabis für die Bildungs- und Informationsarbeit in der Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz den Film „Zivilisation der Liebe – Das Zentrum für Dialog und Gebet in Auschwitz“. Ebenfalls 2009 konnte ein Radioprojekt katholischer und muslimischer Jugendlicher in der Stadt Mostar unterstützt werden. Der Titel dieses Projekts, das der Versöhnung der Volksgruppen in Bosnien und Herzegowina diente, lautete: „Die Brücke zwischen mir und dir“. Mit dem Leitwort „Frieden Leben“ für das Jahresthema 2020 setzte Renovabis mit den katholischen Hilfswerken und den deutschen Diözesen ein Zeichen der Verständigung, Versöhnung und Weltoffenheit und stellte die Aspekte gesellschaftlichen Zusammenhalts, interreligiösem Dialog und Klimagerechtigkeit in den Mittelpunkt der verschiedenen Aktionen, um für diese Themen zu sensibilisieren.
Durch die Projektförderung von Renovabis wird eine wichtige Pionierarbeit für die Versöhnung zwischen verfeindeten Menschen und Kulturen geleistet. Dass dabei ein stabiles Fundament für ein gemeinsames und dauerhaft friedliches Zusammenleben geschaffen wird, ist ein wichtiges Ziel dieser Anstrengung. Wo dies gelingt, ändert sich auch das Antlitz von Menschen, Kulturen und Religionen, die trotz Unterschieden gemeinsam in die Zukunft blicken können.
Zitierte Literatur
Deutscher Caritasverband (Hg.), Miteinander leben – Perspektiven des Deutschen Caritasverbandes zur Migrations- und Integrationspolitik, Freiburg i.Br. 2008
Fitzgerald, Michael, Der Auftrag zum interreligiösen Dialog und die Bedeutung der ortskirchlichen Strukturen, in: Khoury, Adel Theodor (Hg.), Jahrbuch für Religionswissenschaft und Theologie der Religionen 7/8, Altenberge 1999, 15-23
Georges-Anawati-Stiftung (Hg.), 25 Jahre Begegnung von Christen und Muslimen auf Katholikentagen und Evangelischen Kirchentagen 1980 bis 2005, erarbeitet von Hans Vöcking und Heinz Klautke, Rüthen 2006
Konstitution Regimini Ecclesiae Universae vom 15. August 1967, Nr. 99, in: Akten Papst Paul VI. Lateinisch-Deutsche Ausgabe kommentiert und eingeleitet von Heribert Schmitz (Nachkonziliare Dokumentation Band 10), Trier 1968
Sekretariat der deutschen Bischofskonferenz (Hg.), Christen und Muslime in Deutschland (Arbeitshilfen 172), Bonn 2003
Zum Weiterlesen
CIBEDO e.V (Hg.): Dokumentation zum Festakt: 40 Jahre CIBEDO 1978-2018, Frankfurt am Main 2019.
Deutscher Caritasverband (Hg.), Miteinander leben – Perspektiven des Deutschen Caritasverbandes zur Migrations- und Integrationspolitik, Freiburg i. Br. 2008.
Eugen-Biser-Stiftung: Dialog-Werkstatt. Der interreligiöse Dialog als Weg für ein gelingendes Zusammenleben [2021], online: https://www.eugen-biser-stiftung.de/files/eugen-biser-stiftung_dialogwerkstatt_online.pdf (abgerufen am 27.10.2022).
Fritzgerald, Michael, Der Auftrag zum interreligiösen Dialog und die Bedeutung der ortskirchlichen Strukturen, in: Khoury, Adel Theodor (Hg.), Jahrbuch für Religionswissenschaft und Theologie der Religionen 7/8, Altenberge 1999, S. 15-23.
Georges-Anawati-Stiftung (Hg.), 25 Jahre Begegnung von Christen und Muslimen auf Katholikentagen und Evangelischen Kirchentagen 1980 bis 2005, erarbeitet von Hans Vöcking und Heinz Klautke, Rüthen 2006.
Güzelmansur, Timo, „Menschliche Brüderlichkeit.“ Anmerkungen zur Papstreise nach Abu Dhabi und zum Dokument, in: CIBEDO-Beiträge zum Gespräch zwischen Christen und Muslimen 2/2019, S. 54-64.
Matthias Hugoth, Multireligiöse Teams in Kindertagesstätten sind ein Gewinn, in: Neue Caritas 9/2020, S. 9ff. (online: https://www.caritas.de/neue-caritas/heftarchiv/jahrgang2020/artikel/multireligioese-teams-in-kindertagesstaetten-sind-ein-gewinn).
Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.), Christen und Muslime in Deutschland (Arbeitshilfen 172), Bonn 2003.
Troll, Christian W., Einleitung: Katholisches Lehramt und Islam seit dem Konzil, in: Christlich-islamische Begegnungs- und Dokumentationsstelle (CIBEDO) (Hg.), Die offiziellen Dokumente der katholischen Kirche zum Dialog mit dem Islam, Regensburg 2009, S. 19-33.
Troll, Christian W., Unterscheiden um zu klären. Orientierung im christlich-islamischen Dialog, Freiburg i. Br. 2008.